Ein unmoralisches Sonderangebot - Gier, K: Unmoralisches Sonderangebot
etwas wage als »selbstständiger Unternehmensberater« getarnt hatte, machte er einzig und allein mich verantwortlich.
»Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich froh, dass mein Vater überall seine Finger drin hat«, sagte er zu mir. »Ohne Vati würden mir die letzten zwei Jahre wahrscheinlichdas Genick brechen.« Aber dank Fritz hatte er nun ein Bewerbungsgespräch beim Peronalchef von Fritzens alter Firma, die im Übrigen auch Eberhard beschäftigte.
»Oha«, sagte Eberhard bei einem unserer sonntäglichen Familienfrühstücke, die ja nun in seinem Wintergarten stattfanden. »Es heißt doch, dass wir augenblicklich Einstellungsstop haben. Da laust meinen einen doch der Affe.«
»Der Einstellungsstop gilt natürlich nicht für Spitzenpositionen«, sagte Stephan. »Der Personalchef war außerdem ganz begeistert von meiner Bewerbung. Ich bin wohl genau das, was sie suchen.«
»Oha«, schnappte Eberhard ungläubig.
»Der Mann schuldet mir noch einen alten Gefallen«, erklärte Fritz.
»Ach so«, sagte Evelyn.
»Sie suchen jemanden für die neue Geschäftsstelle in Chicago«, sagte Stephan. »Ich würde dort die Marketingabteilung übernehmen, bis die Sache läuft, und nach ein oder zwei Jahren wieder nach Deutschland zurückkommen. Das ist eine einmalige Chance.« Hierbei sah er mich an. Schließlich sollte ich nicht auf die Idee kommen, ihm diese einmailige Chance irgendwie zu vermasseln.
»Chicago ist verdammt weit weg«, sagte Oliver und sah dabei auch mich an.
Ich zuckte mit den Schultern. Ich hatte nicht vor, nach Chicago zu gehen, aber das begriff hier ja sowieso keiner.
»Chicago klingt gut«, sagte Evelyn träumerisch. »Da gibt es wenigstens vier Jahreszeiten.«
»Oha«, sagte Eberhard zu Stephan. »Auf so eine Stelle kommen doch mindestens 300 Bewerbungen, ei derDaus. Glaubst du nicht, dass deine Chancen da vielleicht doch ein kleines bisschen miserabel stehen? Meiner einer würde sagen, ja.«
»Aber meiner einer würde sagen, ich bin der richtige Mann dafür«, sagte Stephan. »Und außerdem schuldet der Personalchef Vati einen Gefallen.«
»Der Mann ist doch gerade mal Mittel dreißig«, sagte Eberhard zu Fritz. »Als du in Pension gingst, war der wahrscheinlich noch im Kindergarten.«
»Ich bin erst seit zehn Jahren in Rente«, sagte Fritz. »Und der kleine Jürgen« – das war wohl der Name des Personalchefs – »war damals das jüngste Mitglied meines persönlichen Mitarbeiterstabs. Er hat mir ungeheuer viel zu verdanken.«
»Wie schön für Stephan«, sagte Eberhard.
»Wie schön für uns alle«, sagte Evelyn. »Du hast doch schließlich auch einen Job bei der Firma, oder, Eberhard?«
»Ebi und ich haben uns kennen gelernt, als Ebi schon längst dort arbeitete«, sagte Katinka angriffslustig. »Ebi hat den Job bekommen, weil er gut ist und nicht weil er Beziehungen hatte.«
»Ich bin auch gut«, sagte Stephan. »Beziehungen braucht man heute nur, damit man überhaupt die Gelegenheit hat zu zeigen, wie gut man ist.«
»Richtig«, sagte Fritz und legte den einen Arm um Olivers und den anderen Arm um Stephans Schulter. »Ich glaube, ich werde bald endlich mal die Gelegenheit haben, auf meine beiden Söhne stolz zu sein. Der eine macht Karriere in meiner alten Firma, und der andere macht Karriere beim Fernsehen. Olivers Gartensendung wird der Knüller, sage ich euch.«
»Es ist auch Olivias Sendung«, sagte Oliver.
»Sicher, sicher«, sagte Fritz. »Und ich bin ja auch stolz auf meine Schwiegertochter. Jawohl. Lasst uns die Gläser heben und auf diese großartige Familie trinken.«
In Ermangelung von Gläsern hoben wir alle unsere Kaffeetassen.
»Auf die Gaertners«, sagte Fritz.
»Auf die Gaertners«, wiederholten wir, und ich vermisste nur noch die Titelmusik zu »Dallas«, die im Hintergrund anschwoll. Hier waren wir wieder:
»Die Gaertners – eine Familien-Seifen-Oper vom Feinsten. Falls Sie neu zugeschaltet haben, hier eine kurze Zusammenfassung: In den Hauptrollen immer noch: Der alte Patriarch Fritz, der seine Villa großzügig gegen ein kleinbürgerliches Reihenhäuschen getauscht hat und seit neuestem ein Auge auf seine Nachbarin namens Roberta Knopp geworfen hat, welche freiwillig bei ihm putzt und bügelt. Der älteste Sohn Oliver, der erst letzte Woche mit der Frau seines Bruders geschlafen hat. Stephan, der jüngere Bruder, der für eine Million Euro mit Olivers bildschöner Frau Evelyn ein Haus teilt, aber lieber die Blumenverkäuferin Petra vögelt, die wir hier
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