Ein unmoralisches Sonderangebot - Gier, K: Unmoralisches Sonderangebot
ich aber erleichtert«, sagte er. »Ich dachte schon, du wirst dich ewig quer stellen. Ich verspreche dir, du wirst es nicht bereuen.«
Ich starrte ihn an. Ja, wollte er es denn einfach nicht verstehen?
»Im Internet habe ich schon mal nach potentiellen Käufern gesucht«, fuhr er fort. »Die Immobilienmarktlage ist ziemlich schlecht, aber auch nicht schlechter als vor zwei Jahren. Also denke ich, wir werden vielleicht das bekommen, was wir damals bezahlt haben. Dann wären wir immer noch fein raus.«
Ich hatte ihm mit zunehmender Ungeduld zugehört. »Stephan, du hast mich falsch verstanden. Ich will diese Gärtnerei nicht verkaufen, wie oft soll ich dir das denn noch sagen!«
»Aber gerade eben hast du doch …«
»Ich habe gesagt, dass ich dich verstehen kann, und dass du dir gerne einen Job suchen kannst, der dir gefällt! Ich mache dann hier eben allein weiter. Ganz ehrlich: Wirklich nützlich gemacht hast du dich ja in letzter Zeit wirklich nicht.«
Stephan sah wütend aus. »Du willst es einfach nicht kapieren, oder? Ich werde nicht zulassen, dass unser Geld in diese marode Gärtnerei hier fließt und versickert wie Wasser in der Wüste!«
»Die Hälfte von dem Geld gehört mir«, sagte ich. »Wenn ich es in die Wüste gießen will, ist das meine Entscheidung. Mit der anderen Hälfte kannst du dir kaufen, was du willst.«
»Mensch, Olli, jetzt benutz doch mal deinen gesunden Menschenverstand. Wir haben fünfhundertsiebzigtausend Euro Schulden wegen diesem Acker hier, und wenn wir die bezahlen, ist von der Million nur noch weniger als die Hälfte da.«
»Ja, und dafür renovieren wir dann das Haus und bauen die Baumschule aus«, sagte ich. »Das heißt, das kann ich auch allein machen. Du kannst dir den Job deinerTräume suchen. Für das Auto deiner Träume dürfte auch noch genug übrig bleiben.«
»Ich fass es nicht! So viel sture Verbissenheit gepaart mit absoluter Blödheit«, schimpfte Stephan. »Kapier doch endlich, dass ich den Scheiß hier nicht mehr will! Ich will Großstadtleben, eine schicke Wohnung, Partys, Reisen – ich will die Malediven sehen und Neuseeland und San Francisco.«
Allmählich wurde mir seine immer gleiche Leier langweilig. Ich tupfte die frisch geschnittenen Stecklinge in den Bewurzelungsbeschleuniger, den ich in leeren Espressodosen angerührt hatte.
Stephan schien mein Anblick rasend zu machen.
»Aber du wirst diesen Saftladen ja nie länger als ein Wochenende allein lassen können. Immer wirst du da stehen in deiner Latzhose und deinen alten Turnschuhen und irgendwelche albernen Pflanzen in irgendwelche albernen Töpfe setzen und dabei aussehen, als ob es nichts Wichtigeres auf der Welt gäbe. Du sprichst mit deinen Blumen und merkst nicht mal, wie peinlich du bist mit deinen Trauerrändern unter den Fingernägeln und den ständigen Dreckflecken im Gesicht. Und da fragst du mich, warum ich was mit einer anderen Frau angefangen habe?«
Während seiner Rede hatte ich die Luft angehalten, jetzt entwich sie mit einem zischenden Laut. Endlich hatte ich begriffen.
»Ich bin dir peinlich!«
»Natürlich bist du mir peinlich«, sagte Stephan. Die Wut hatte sein Gesicht regelrecht verzerrt, seine sinnlichen Lippen waren schmal geworden. »Du wärst jedem Mann peinlich. Was meinst du denn, warum meine Freunde uns immer seltener zu sich einladen?«
Ich fasste es immer noch nicht. »Ich bin dir peinlich! Ich dir!« In einem Anfall von Hilflosigkeit begann ich zu lachen. Das war alles zu komisch! Ich war ihm peinlich. Meinem eigenen Mann.
»Schau dich doch mal an«, sagte Stephan.
Aber ich schaute nur ihn an, und das Lachen schüttelte mich von Kopf bis Fuß durch. Als es verebbte, brach ich überganglos in Tränen aus. Herrje, ich war hysterisch. Hysterisch und mit den Nerven am Ende. Die Tränen schossen nur so aus meinen Augen. Eigentlich gab es auch mehr Gründe zu weinen als zu lachen.
Stephan wertete das offenbar als Eingeständnis einer Niederlage. »Wenn du mich nicht verlieren willst, dann musst du dich auch mal ein bisschen bemühen«, sagte er.
Ich schluchzte nur, unfähig, eine Antwort zu geben. Ich war ein lebendiger Rasensprenger geworden.
Als die Tränen endlich versiegten, hatte Stephan das Gewächshaus bereits verlassen.
*
Am liebsten hätte ich einfach alles hingeschmissen und wäre nach achtzehn Uhr gemütlich in die Ruine geschlendert, um Stephan mitzuteilen, dass Fritz die Wette nun leider verloren habe. Aber es wäre ja nicht nur Stephan gewesen,
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