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Ein unsittliches Angebot (German Edition)

Ein unsittliches Angebot (German Edition)

Titel: Ein unsittliches Angebot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Grant
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Fenster? In seinem Londoner Quartier ließ er die Vorhänge immer weit offen. Zu dieser Jahreszeit war das Licht besonders schön, der nahende Herbst machte es samtig. An manchen Nachmittagen zog es ihn zurück ins Bett, verlockend wie eine Frau.
    Er hätte diese Witwe nicht anlächeln dürfen. Wo er gerade bei Frauen und ihren Verlockungen war. Doch welcher Mann konnte es ihm verdenken? Solch eine entzückende Erscheinung war sie gewesen, so ernst und aufrecht in ihrer Trauerkleidung, aber beim Durchblättern ihres Gebetbuchs ungeduldig wie ein Kind auf der Suche nach den Bildern. Als sie sich dann zu ihm umgedreht hatte, mit Augen wie ein erschrockenes Reh, hatte sie ihm noch besser gefallen. Er stellte sich vor, wie er sie damit aufziehen könnte, dass sie sich hatte ablenken lassen, und wie er Reue zeigen würde, wenn sie ihn dafür schalt, eingeschlafen zu sein. Er stellte sich einen äußerst erquicklichen Reigen des Neckens und des Reuezeigens vor, der in gänzlich …
    Granville war verstummt. Wie lange schon? Hektisch griff Theo nach dem Papier vor sich. »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte er, »ich habe gerade versucht, diese Fenstersteuerberechnung nachzuvollziehen, und ich fürchte, ich habe das Letzte, was Sie gesagt haben, nicht mitbekommen.« Er kramte tief in seinem Gedächtnis. »Sagten Sie gerade … decken?« Aber wieso jetzt? So etwas tat man doch im Frühling, und außerdem war das nun wirklich keine angemessene Beschäftigung für einen jungen Gentleman.
    »Zwei oder drei Bauernkaten, wie ich schon sagte. Es muss unbedingt noch vor dem Winter geschehen, und eine Reihe Zäune müssen auch erneuert werden.«
    »Die Dächer neu decken, unbedingt!« Herrgott, begriffsstutziger hätte er beim besten Willen nicht klingen können. Wenn es so weiterging, würde er London nie wiedersehen.
    Er legte das Fensterdokument weg, fuhr mit den Fingern über die schlichte kleine Karte und hob sie auf. »Würde es sich für mich gehören, den Besuch zu erwidern, unter diesen Umständen?« Oh, das war gut! Den Mann um seine Einschätzung bitten und gleichzeitig Besorgnis darüber äußern, was sich gehörte.
    »Ich denke, es wäre nur höflich. Sie könnten sich heute Nachmittag Zeit dafür nehmen.«
    »Heute Nachmittag. Selbstverständlich. Sind wir bald fertig mit diesen Papieren?« Er spürte, wie seine müden Geister zurückkehrten. Einen Anstandsbesuch würde er sicherlich zustande bringen. Er würde auf diese Witwe einen besseren Eindruck machen als in der Kirche, und auf Granville obendrein. Und je öfter er einen guten Eindruck machen konnte, desto früher würde er aus dieser Einöde nach London zurückkehren können, wo er hingehörte.
    Die Witwe Russell ging in ihrer häuslichen Zurückgezogenheit offenbar so weit, ihre Gäste nicht einmal mehr im Salon zu empfangen. Theo wurde in eine rosa tapezierte Stube im Obergeschoss geführt; dort saß sie in einem Sessel, dessen Chintzpolsterung mit sich anmutig windenden Rosen auf weißem Grund verziert war. Selbstverständlich war sie von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, und einen Augenblick lang hatte er die äußerst sonderbare Vorstellung von einer Spinne in einem Rosenstrauß. Doch für das Schwarz konnte sie schließlich nichts. In einer anderen Farbe wäre sie wahrscheinlich eine Zierde für diesen Raum gewesen, und außerdem ging es einer Witwe wohl kaum in erster Linie darum, dekorativ auszusehen.
    Als sie aufstand, um ihm die Hand zu geben, sah sie ihm kurz in die Augen; dann blieb ihr Blick irgendwo in der Nähe seines Schlüsselbeins hängen, und als die Begrüßung vorbei war, wandte sie sich gänzlich ab und deutete auf einen kleinen Rosenholztisch, auf dem eine Teekanne und ein Teller mit zwei Sorten Kuchen standen. »Ich war gerade beim Tee, als Sie angekündigt wurden«, sagte sie, bevor sie sich wieder setzte und ihre Röcke zurechtlegte. »Darf ich Ihnen eine Tasse anbieten?«
    »Das wäre wunderbar, vielen Dank.« Recht forsch von ihr, ihm von ihrem Imbiss anzubieten. Aber vielleicht war das auf dem Lande so. Und der Kuchen sah vorzüglich aus. Er nahm in einem zweiten Chintzsessel ihr schräg gegenüber Platz und streifte seine Handschuhe ab.
    Der Hausdiener brachte ein zweites Gedeck, und sie griff nach der Teekanne. Bildete er es sich ein, oder wich sie seinem Blick aus?
    Er räusperte sich. »Wie ich höre, haben Sie Ihren Mann erst vor Kurzem verloren.« Vielleicht hätte er das früher sagen sollen. »Mein herzliches

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