Ein unsittliches Angebot (German Edition)
Beileid.«
»Vor Kurzem, ja, und sehr plötzlich.« Sie goss ihm ein und beobachtete den Pegel in seiner Tasse. »Ich danke Ihnen für Ihre Anteilnahme. Möchten Sie Milch oder Zucker?«
»Nein danke.« Das war ja interessant. Granville hatte auch nicht gerade viel Trauer bekundet, als es um den Todesfall gegangen war. Aber nicht jeder trug das Herz auf der Zunge. Falls sie das Gegenteil von Trauer empfand, zeigte sie das zumindest auch nicht.
»Sie kommen aus London, wie ich höre.« Sie blickte auf, um ihm seinen Tee zu reichen, und sah ihm endlich direkt in die Augen.
Einen winzigen Augenblick lang war er verwirrt. Was hatte sie für Augen! Dunkel und wachsam wie die eines Waldtieres, daran erinnerte er sich aus der Kirche. Und jetzt sah sie ihn an, als ob … er wusste auch nicht, wie.
»Aus London, richtig.« Er nahm die Tasse entgegen und deutete eine Verbeugung an. Dann wurden sie unterbrochen. Ein Mädchen verkündete, der Diener werde kurz benötigt, und die beiden verließen zusammen die Stube. Theo nahm einen Schluck Tee, um sich wieder in die Gewalt zu bekommen. »Haben Sie viel Zeit in der Stadt verbracht?«, fragte er, als die Dienstboten gegangen waren.
»Nur einen halben Winter, als ich meinen Mann kennengelernt habe.« Hinter ihrer Gelassenheit verbarg sich konzentrierte Aufmerksamkeit, und dahinter … Geheimnisse. Viele, viele Geheimnisse verbargen sich hinter diesem bittersüßen Schokoladenblick. »Ich fürchte, Sussex wird Ihnen recht eintönig vorkommen, verglichen mit dem, was Sie gewöhnt sind.« Gemächlich hob sie die Tasse an die Lippen und trank, ohne den Blick von ihm abzuwenden.
Gütiger Gott! Hatte sie eine Ahnung, wie das aussah, für einen Mann? Ganz offensichtlich nicht. Wenn es so gemeint gewesen wäre, hätte ihre Haltung eine Einladung aussprechen müssen, und in ihrer Stimme hätten süße Andeutungen mitgeschwungen. Und überhaupt. Sie war respektabel. Und eine Witwe. Was für Geheimnisse auch immer sie haben mochte, sie waren nicht für ihn bestimmt.
»Etwas gesetzter als London, zweifellos.« Er verlagerte sein Gewicht im Sessel und brachte etwas mehr Distanz zwischen sich und die Witwe. »Aber ich habe ausreichend Zeitvertreib.«
»Sie studieren den Verantwortungsbereich eines Baronets, wie ich höre.« Ihre Hände, so unglaublich blass gegen die schwarzen Ärmel, stellten die Tasse ab und drapierten zwei Stück Kuchen auf einem Teller. Sie hatte geschickte, zarte Finger. Ein wenig kalt allerdings – das hatte er trotz seiner Handschuhe schon bemerkt, als sie ihm die Hand gereicht hatte. Ein Mann könnte diese Hände zwischen den seinen wärmen, und dann –
Nichts und dann . In diese Richtung würde er seine Gedanken nicht abschweifen lassen. So tief war er doch hoffentlich noch nicht gesunken. »Güterverwaltung und dergleichen, richtig.« Er nahm den Teller und eine silberne Gabel entgegen. »Instandhaltung der Dächer. Optimierung der Fenster. Fenstersteuer. Ich stelle sicher, dass in dieser Hinsicht alles zum Besten steht. In jeder Hinsicht.« Er stopfte sich einen Bissen Kuchen in den Mund, hauptsächlich um sich vom Reden abzuhalten, bevor er noch aufgeblasener klingen konnte.
Sie nahm etwas Kuchen von ihrem Teller und kaute, die Lippen grimmig zusammengepresst. Ein Jammer, denn auf diese Weise verlor ihr Mund seine Fülle, und außerdem sollte selbst jemand, dessen Verlust noch in frischer Erinnerung war, ein Stück guten Kuchens genießen können. »Und? Was sagen Sie?«, fragte sie, nachdem sie geschluckt hatte.
»Ein hervorragender Kuchen, vielen Dank.« Es stimmte. Zitronenkuchen, süß und erfrischend zugleich.
»Nein«, sagte sie, und ein etwas gequälter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »Ihre Studien meine ich. Zu lernen, was eines Tages Ihre Pflichten sein werden. Finden Sie das reizvoll?«
»Oh, absolut. Ohne Zweifel.« Sie könnte das Granville gegenüber wiederholen, wenn sie ihn das nächste Mal sah. »Ich habe festgestellt, dass mir solche Studien sehr liegen.«
Sie aß mehr Kuchen und blieb stumm. Ihr Blick wanderte zwischen ihm und ihrem Teller hin und her, wodurch er sich vorkam wie ein weiterer Gang, und zwar einer von dubioser Herkunft. »Dann sind Sie wohl zu beneiden«, sagte sie schließlich und erlaubte sich die Andeutung eines Lächelns. »Wäre ich in Ihrer Situation, würde ich vermutlich Ränke schmieden, um mich irgendwie nach Brighton abzusetzen.«
»Nach Brighton?« Das kam … überraschend. Und ihr verzogener
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