Ein unsittliches Angebot (German Edition)
Canning lenkte ihren bitterbösen Blick ans Ende der Tafel. »Wir werden jedem im Umkreis von zehn Meilen erzählen, was Sie sind, verlassen Sie sich drauf.«
»Und wenn das alles wäre, was Sie zu befürchten haben, könnten Sie immer noch bleiben und einen Dreck drauf geben.« Mr Weavers leise Stimme verschaffte sich Gehör. Er hatte die meiste Zeit die Tischdecke angestarrt, und das tat er auch jetzt, während er sprach. »Deswegen sage ich es jetzt klar und deutlich: Von mir haben Sie weit mehr zu fürchten.« Er war nicht sicher gewesen, ob er kommen würde, Mr Weaver. Am Vortag hatte er gesagt, er würde nicht kommen, wenn Mrs Weaver es nicht wünschte. Doch offensichtlich hatte sie beschlossen, dass sie es wünschte. »Sie haben meiner Frau Schande gemacht, die sie ihr Leben lang tragen wird. Sie konnte nichts dafür, aber sie hat sie seitdem getragen, während Sie das Leben eines Gentlemans geführt haben, ohne jemals einen Blick zurückzuwerfen. Glauben Sie nicht, dass ich das auf sich beruhen lassen werde.«
»Ich sage es noch deutlicher.« Mrs Weaver warf ihm einen Blick zu, der Albträume heraufbeschwören konnte. Ihre Stimme zitterte vor Empfindungen, die zu düster waren, um ihnen einen Namen zu geben. »Wenn Sie in dieser Gegend bleiben, stecke ich Ihnen ein Messer in die schmutzige Kehle. Und wenn ich am Galgen ende und meine Kinder im Waisenhaus, das garantiere ich Ihnen.«
Mr Russell rutschte auf seinem Stuhl hin und her, wie um ihrem Basiliskenblick zu entgehen. Falls er sie erkannte, ließ er sich nichts anmerken. »Sie bedrohen mich! Sie haben es alle gehört.« Er suchte ein Gesicht nach dem anderen nach Sympathie ab. »Will denn niemand etwas tun?«
Doch, es scheint ganz so, als wolle Mrs Weaver etwas tun . Er biss sich auf die Zunge, obwohl die Versuchung groß war.
Der Anwalt verneigte sich. »Sollten Sie doch erben und sich nach reiflicher Überlegung dazu entschließen, Ihren Wohnsitz nicht hierher zu verlegen, stelle ich gern einen Vertrag aus und helfe Ihnen, einen geeigneten Pächter zu finden.«
Niemand hatte mehr etwas zu sagen. Die Witwe nickte knapp. »In Ordnung. Mr Russell, ich danke Ihnen für Ihre Zeit und Aufmerksamkeit. Wir werden Sie nicht länger aufhalten.«
Ohne jemanden anzusehen, stand Mr Russell auf und verließ den Raum. Atkins wechselte einen Blick mit Mrs Russell und stand ebenfalls auf.
»Wollen Sie ihm folgen?« Gütiger Himmel. Zu welchem Zweck?
»Ich bin ein Mann der Kirche. Ich muss daran glauben, dass jeder den Weg zur Erlösung finden kann.« Er lächelte. »Und wenn ich ihn ebenfalls davon überzeugen kann, helfe ich Mrs Russell.« Mit einer Verbeugung verabschiedete er sich von den Anwesenden.
Andere erhoben sich ebenfalls. Der Anwalt begann ein Gespräch mit den drei Damen aus der Stadt. Die Haushälterin von Seton Park ging auf Mrs Weaver zu und bot ihr unsicher die Hand an. Sie wechselten ein paar Worte. Mr Weaver nickte beschämt, als Mr Rivers ihn ansprach. Er blieb an Mrs Weavers Seite.
Wie schwierig es doch war, Ehemann zu sein! Zu wissen, wann man seine Frau verteidigen musste und wann man sich zurückzuhalten hatte, damit sie für sich selbst eintreten konnte. So viele große und kleine Dinge galt es zu meistern, zusätzlich zu der Kunst, eine Frau im Bett zufriedenzustellen. Noch eine unerwartete Lektion, die er während seines Aufenthalts in Sussex gelernt hatte.
Über Mrs Tavistocks Schulter hinweg wechselte er einen Blick mit der Witwe. Sie lächelte schwach, aber sie sah erschöpft aus. Vermutlich hatte es sie ungewohnte Kräfte gekostet, Haltung zu bewahren, und vermutlich würde sie längst schlafen, wenn er heute Nacht kam. Auch gut. Sie hatten sich sowieso nicht mehr viel zu sagen.
Sie hatte es geschafft. Nein, sie alle hatten es geschafft. Unverhoffte Verbündete hatten sich um sie geschart, und mit etwas Glück würde Mr James Russell nun abreisen. Verderbt oder nicht, er besaß bestimmt nicht den Mut – oder die Dummheit –, trotz Mrs Weavers Drohung zu bleiben.
Martha griff nach dem losen Ende ihres Schals, das im Wind flatterte, und wand es enger um sich. All die liebenswürdigen Besucher waren gegangen, mit Ausnahme von Mr Atkins, der vermutlich irgendwo im Haus versuchte, Mr James Russell auf den Weg der Tugend zurückzuführen. Sie wünschte ihm Glück. Mehr nicht.
Aus dem Garten drang Gelächter an ihr Ohr. Als sie um eine Hecke kam, entdeckte sie die beiden Russell-Jungen, die für denselben Schäferhund Stöckchen
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