Ein unsittliches Angebot (German Edition)
offensichtlich erwartete er Bewunderung. Vermutlich war er das gewöhnt, denn er hatte eine wohlproportionierte Statur. Seine Muskulatur war viel beachtlicher als die von Mr Russell, was allerdings auch keine besonders große Kunst war. Manchen Frauen war das wichtig. Muskeln und so weiter. Diese straffen flachen über seinem Bauch zum Beispiel. Oder die, die an seinen Armen hervortraten. Frauen, die dem Charakter eines Mannes nicht die gebotene Priorität einräumten, hatten ihm zweifellos beigebracht, auf seine Figur stolz zu sein, und auch eine Frau mit Prinzipien konnte auf einer bestimmten ästhetischen Ebene Gefallen an seinem entblößten Oberkörper finden.
Dann ließ er die Pantalons fallen, und der Zauber war gebrochen.
Stattdessen wallte wieder dieselbe Verzweiflung auf, die sich vor zehn Monaten bei ihr eingestellt hatte, als sie zum ersten Mal einen nackten Mann gesehen hatte. Wer hatte sich das nur ausgedacht? Weshalb all diese ungelenken Winkel, und waren all die Haare wirklich notwendig? Wenn man daran glaubte, was in der Bibel und in der griechischen Mythologie stand, dass der Mann zuerst erschaffen worden war und die Frau danach, kam man unweigerlich zu dem Schluss, dass der Prozess nach dem ersten amateurhaften Versuch noch entscheidend verbessert worden sein musste.
Wo sie geformt war, war er gehauen. Wo ihr Körper logische und präzise Kurven besaß, ganz zu schweigen davon, dass die Fortpflanzungsorgane fein säuberlich versteckt waren, sah seiner lang gezogen und willkürlich geformt aus, und seine Männlichkeit schien ein schlecht ausgeführter nachträglicher Einfall gewesen zu sein. Wie die letzten Reste Ton, die zusammengeklaubt zu einem unförmigen Klumpen zusammengedrückt und an seine Mitte gesteckt worden waren, nebst den Steinen in ihrem groben roten Sack und diesem unwahrscheinlichen Anhängsel, das immer im Vordergrund herumbaumelte.
Im Augenblick baumelte es allerdings nicht, sondern hatte sich begierig aufgerichtet. Erwartungsvoll, gedankenlos, fordernd. Genau wie es bei Mr Russell mit ermüdender Häufigkeit der Fall gewesen war. Das Glied ihres Mannes hatte sie heimgesucht, ohne Rücksicht auf ihre Gedanken oder Gefühle. Das war es schlussendlich, weshalb sie es nie hatte respektieren können.
Noch konnte sie Mr Mirkwoods Exemplar respektieren, trotz dessen beachtlicher Größe und seines frechen Auftretens, das die Überzeugung verriet, es müsse immer und überall willkommen sein. Es hüpfte ein-, zweimal auf und ab, als er aus seinen Kleidern stieg, und hielt dann wieder still. Sie blickte zu ihm empor. Er hatte sie beobachtet, die Hände in die Hüften gestemmt, und genoss es offensichtlich, von einer Dame kritisch beäugt zu werden. »Er steht zu Ihren Diensten, meine Liebe«, sagte er mit einem unverschämten Grinsen. »Alles bereits bezahlt.«
Was um alles in der Welt sollte man auf so etwas erwidern? Es war noch nicht einmal korrekt – sie hatte ihn noch nicht bezahlt –, doch je weniger Worte sie über dieses Thema verloren, desto besser. Der gestrige Tag war schon unerträglich genug gewesen. Deine Haut ist wie Seide. Du riechst wie Blumen . Offenbar war sein Erfolg bei den Frauen hauptsächlich seinem guten Aussehen geschuldet, denn sein poetisches Empfinden ließ einiges zu wünschen übrig.
Sie wandte den Blick ab, rückte ein wenig zur Seite und hielt ihm die Bettdecke hoch. Er kletterte neben sie, immer dem Anhängsel nach, wie vermutlich in den meisten Lebenslagen. Anstatt anzufangen, stützte er sich jedoch mit dem Ellbogen aufs Kopfkissen und wandte ihr das Gesicht zu. »Wo sind Sie aufgewachsen?«, fragte er.
Was sollte das jetzt? »Im Norden von Cambridgeshire.«
»Dann sind wir Nachbarn. Das Anwesen meiner Familie liegt in Lincolnshire.« Er legte seine Hand auf ihre Rippen, jeden Finger in einen Zwischenraum. »Hier bin ich im Exil auf einem unserer kleineren Besitztümer. Wie viele Geschwister haben Sie?«
»Drei Brüder und eine Schwester. Warum fragen Sie?«
»Ich möchte es heute leichter für Sie machen.« Er hatte einen lockeren Plauderton aufgelegt. Seine Finger drückten sich behaglich in die Zwischenräume zwischen ihren Rippen. »Ich habe mir gedacht, wenn wir ein bisschen reden und uns näher kennenlernen, sträubt sich Ihr Körper vielleicht nicht so sehr wie beim letzten Mal.«
Sie spürte, wie sie im ganzen Gesicht krebsrot wurde. »Ich glaube, es wäre besser, wenn Sie einfach anfingen. Wenn wir warten, verlieren Sie vielleicht
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