Ein unverbindliches Ja
geflüchtet, schnappte mir mein Handy, rannte angsterfüllt auf die Straße und verständigte die Polizei. Alles im Pyjama und das auch noch um Mitternacht.«
Ich schüttele nur den Kopf und Harry plaudert munter weiter. Ich habe Hunger. Hoffentlich kommt er recht schnell zum Happy End. Schließlich steht er ja unversehrt vor mir – kein Haar gekrümmt. Welches auch, viele hat er ja nicht mehr.
»Kurze Zeit später rückten dann vier Zivilpolizisten an. Die sahen vielleicht aus. Furchteinflößender als die Einbrecher. Es waren riesige ›Schränke‹ mit Ohrringen und Bomberjacken. Die Polizei fand schnell heraus, dass die Einbrecher natürlich nicht in den Keller gerannt sind, sondern durch die Terrassentür das Weite gesucht haben. Als festgestellt wurde, was alles fehlt, kam heraus, dass die Diebe in der Eile nur mein Hemd mit meinen Papieren und meine Hose mit den Schlüsseln mitgenommen haben. Sonst lag im unteren Stockwerk noch alles fein säuberlich sortiert zum Abtransport bereit.«
Harry ist fix und fertig. So aufgewühlt habe ich ihn ja noch nie erlebt. Denn eigentlich hat er das Temperament einer Schlaftablette.
»Aber es kommt noch besser. Ich musste vorhin zur Polizei, da sie einen Verdächtigen festgenommen hatten. Dabei handelte es sich jedoch um unseren neugierigen Nachbarn. Später fanden sich dann mein Hemd und meine Hose einschließlich aller Papiere wieder an. Die Klamotten hingen auf einem Grundstück im Baum, gleich gegenüber der Kneipe. Der Finder kennt mich, da er nur sechs Häuser weiter wohnt. Er erkundigte sich, ob ich nach einem Kneipengang einen Striptease gemacht habe.«
Harry und Kneipengang – da muss selbst Schröder lachen.
Jetzt habe ich Bärenhunger. Warum ist eigentlich Suse nicht da, sie könnte sich um Harry kümmern?
KAPITEL 12:
SUPERVISION
Erleichtert lasse ich die letzten Stufen der Treppe hinter mir, die zu Maria Preis‘ Wohnung im zweiten Stock hinaufführt. Lange genug habe ich mich vor diesem Termin gedrückt, doch mittlerweile ist auch mir klar, dass alles, was in Form von ›Seelenmüll‹ rein kommt, auch irgendwann mal verarbeitet werden muss.
Mit Maria habe ich eine gute Wahl getroffen. Laut Dienstplan ist es Vorschrift, dass die Psychologen, die im Krankenhaus angestellt sind, sich in regelmäßigen Abständen einer Supervision unterziehen müssen. Die wenigsten halten sich daran. Immer werden irgendwelche Ausreden vorgeschoben, denn diese Termine gelten als lästig. Ärzte gehen eben auch nicht gerne zum Arzt. Und da kaum jemand kontrolliert, ob die Therapeuten der Aufforderung nachgehen, tut es keiner. Dem Krankenhaus geht es lediglich darum, im Falle einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung abgesichert zu sein.
Für mich geht es zurzeit jedoch um meine Seele. Und da ich das weiß, habe ich schon mehrere Sitzungen bei Maria wahrgenommen. Diese Frau hat ihren Preis, und ich liebe dieses Wortspiel. Immerhin befindet sich die Praxis am anderen Ende der Stadt und es kostet mich einige Stunden, bevor ich wieder zu Hause bin.
Heute freue ich mich auf das Gespräch. Ich habe Urlaub, nichts drängt mich. Der Türöffner summt und ich trete in den Vorraum einer großen Altberliner Wohnung.
»Einen kleinen Moment noch, ich bin gleich da!«, höre ich Frau Preis rufen.
»Kein Problem!«, gebe ich zurück und muss mir eingestehen, dass ich mir von dieser Frau eine Scheibe abschneiden könnte. Schon der Klang ihrer Stimme weckt in mir ein angenehmes Gefühl. Ja, es ist eine gute Entscheidung, mal wieder vorbeizuschauen.
Wenige Minuten später bittet Maria mich in ein großes helles Zimmer, das durch eine gemütliche Couch und die vielen Kissen geradezu zum Verweilen und Entspannen einlädt. Nun bin ich nicht eine gewöhnliche Patientin, sondern hier treffen sich zwei Kolleginnen, die wissen, dass man von Zeit zu Zeit auf fachliche Hilfe zurückgreifen sollte. Also zögert Maria nicht lange und gießt mir eine Tasse Tee ein.
»Leicht gesüßt, wie immer. Und hier ein paar Kekse, die habe ich letztens im Centro Italia gekauft – köstlich.«
Ich lächele und greife zu. Maria ist keine Hellseherin, sie hat von mir erfahren, dass ich auf alle Arten von Süßigkeiten stehe. Hier wird auch nur mit Wasser gekocht.
»Wie geht es Ihnen?«
»Eigentlich gut.«
Mist, das ›eigentlich‹ hätte ich mir sparen sollen. Jetzt wird Maria nachhaken.
Aber weit gefehlt. »Das ist schön zu hören. Das letzte Mal, als wir uns sahen, hatten Sie gerade mit dem Verlust
Weitere Kostenlose Bücher