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Ein unverschaemt charmanter Getleman

Titel: Ein unverschaemt charmanter Getleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Chase
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was sie dereinst dafür aufgegeben hatte: die Blüte ihrer jungen Jahre mit all ihren Hoffnungen und Träumen. Sie hatte auf ihre einzige große Liebe verzichtet, weil der Mann, den sie liebte, nicht bereit war, seine Hoffnungen und Träume aufzugeben und hier mit ihr zu leben.
    Es war nie ihr Wunsch gewesen, einmal so zu leben.
    Am Anfang war ihr keine andere Wahl geblieben. Dann hatte sie gehofft, dass Papas Zustand sich mit der Zeit bessern würde, aber dem war nicht so. Er ließ allen um sich herum freie Hand, und wie kaum anders zu erwarten, wussten manche dies schamlos auszunutzen. Während der zwei Jahre, die Mirabel in London gewesen war, hatte sein inkompetenter - und zudem wohl auch unehrlicher - Verwalter das Anwesen fast in den Ruin gestürzt und somit binnen weniger Jahre beinahe zerstört, was über Generationen aufgebaut worden war.
    Zu Beginn hatte Mirabel allein aus der Notwendigkeit heraus die Verantwortung und die Pflichten ihres Vaters übernommen. Es gab niemanden sonst, der sich um alles gekümmert hätte. Doch mit der Zeit hatte sie eine wahre Leidenschaft für die Landschaft und die Ländereien entwickelt, die der Leidenschaft ihres Vaters für die Botanik nicht unähnlich war. Während er sich in Theorien der pflanzlichen Fortpflanzung versenkte, erschuf sie sich ein Arkadien.
    Sie ersetzte längst überholte und unwirtschaftliche Bewirtschaftungsweisen durch moderne Methoden, erhöhte die landwirtschaftliche Produktion, ließ das Gutsdorf für die Pächter wieder aufbauen und den Waldbestand aufforsten, der mit Erlaubnis ihres Vaters fast völlig dezimiert worden war.
    Aber in den Augen Mr. Carsingtons wurde ihr prächtiges Waldstück zu einer Ansammlung von Bäumen. Ihre modernen Katen wurden zu bäuerlichen Behausungen. Ihre Anbaumethoden befassten sich mit etwas so Unsäglichem wie Rüben und Getreide. Ihr Vieh war eine Herde langweiliger Tiere.
    Als sie nun stehen blieben, um über die weiten Hügel und Hänge von Longledge Hill zu schauen, wusste Mirabel, dass er die Schönheit dieses Anblicks keineswegs so zu würdigen verstand, wie sie es tat, oder es ihm auch nicht mehr bedeutete als all die Naturwunder und Landschaftsansichten, die sie ihm bereits gezeigt hatte. Einen flüchtigen Blick würde er darauf werfen, dabei eine höflich unverbindliche Miene aufsetzen und geduldig warten, dass sie mit ihren Ausführungen zu einem Ende fand.
    Er hatte noch nicht einmal eine Bemerkung darüber gemacht, wie frisch und rein die Luft war. Doch wie könnte er auch? Sicher besaß er längst keinen Geruchssinn mehr, hatte er doch fast sein ganzes Leben in London verbracht und die vom Rauch der Kohlenfeuer verpestete Luft eingeatmet. Dort zu leben hatte auch seine anderen Sinne absterben lassen. Er war taub, stumm und blind für die Schönheiten und Freuden des ländlichen Lebens.
    Sie verschwendete ihre Zeit. Welch eine Närrin sie gewesen war zu hoffen, er würde verstehen, was sie zu bewahren versuchte.
    Eine tief brummende Stimme drang auf einmal durch den Nebel aus Enttäuschung und Verärgerung, der dicht und schwer in ihrem Kopf zu wabern begonnen hatte.
    „Wenn Ihr Verwalter so inkompetent ist, wie Sie behaupten, Miss Oldridge, warum suchen Sie sich dann nicht einen anderen? Behalten Sie ihn aus Sentimentalität? Denn seiner Fähigkeiten wegen wohl kaum, wenn er so viel der Aufsicht und Führung bedarf.“
    Sie wandte sich unvermittelt zu ihm um.
    Wahrscheinlich war ihr die Überraschung nur allzu deutlich anzumerken, denn er lächelte und fügte hinzu: „Dachten Sie, ich würde Ihnen nicht zuhören?“
    Es war ein leichtes, ein wenig schiefes Lächeln, und es ließ ihr das Herz auch ein wenig schief rutschen, sodass es vor Aufregung heftig zu pochen begann.
    Als ob sie Mirabels inneren Aufruhr spürte, rückte ihre Stute Sophy ein wenig von Mr. Carsingtons Wallach ab.
    „Ich dachte, Sie wären längst eingeschlafen“, gestand Mirabel.
    „Ich habe nachgedacht“, erwiderte er.
    „Bemerkenswert“, meinte sie. „Der Gedanke wäre mir nie gekommen.“
    „Ich muss zugeben, dass es ungewöhnlich ist“, sagte er. „Wer mich kennt, weiß, dass ich geneigt bin, erst zu handeln und dann nachzudenken. Aber ich versuche, mich zu bessern.“
    „Mir war bislang nicht bewusst, dass Sie verbesserungswürdig sind“, bemerkte sie. „Ich dachte, alle Carsingtons seien wohlgeratene Musterexemplare.“
    „Die Musterexemplare sind meine beiden älteren Brüder.“
    „Aber Sie sind der berühmte

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