Ein unverschaemt charmanter Getleman
nennen“, unterbrach er sie rasch. „So erinnere ich mich, dass Sie dieses jammervoll kompliziert klingende Buch über Fossilien und Gesteinsschichten gelesen haben, und bestimmt haben Sie auch alles verstanden, was Ihr Vater über Tulpen und Moospflanzen erzählt hat.“ „Mr. Carsington, es gelingt mir nur äußerst selten, den Worten meines Vaters einen Sinn zu entnehmen“, stellte sie klar. „Er folgt seinen eigenen, einzigartigen Gedankengängen, denen ich mich gar nicht erst versuche anzuschließen. Ich würde es auch niemandem empfehlen, denn von dort ist es zum Wahnsinn nicht mehr weit. Ehrlich gesagt bezweifle ich sogar, dass andere Botaniker seinen Ausführungen folgen können.“
„Es wäre in der Tat hilfreicher für mich, wenn ich Ihre Gedankengänge statt der seinen verstünde“, stimmte Alistair ihr zu.
Mit nicht mehr gar so ruhiger Hand stellte sie ihren längst abgekühlten Tee auf einem kleinen Beistelltisch ab. „Um Ihre Meinung zu ändern?“
„Ich muss etwas unternehmen“, gestand er. „Wenn Sie gegenüber den anderen Nachbarn ebenso sprechen wie eben mit Captain Hughes, werde ich noch Monate hier zubringen müssen, um den Schaden wieder zu beheben.“
„Sie hätten mir zuvorkommen und etwas für Ihr Anliegen tun sollen, als Sie nach dem Essen die Gelegenheit dazu hatten. Nur weil Sie beschlossen haben, liebenswert und charmant zu sein, können Sie nicht von mir erwarten, dass ich mit meinen Ansichten zurückhalte.“
Seine Augenbrauen schossen in die Höhe. „Sie finden mein Verhalten Ihnen gegenüber liebenswert und charmant?“
„Das war nicht, was ich meinte“, erwiderte Mirabel. „Ich möchte betonen, dass Ihr Rang und Ihr Ruhm mir nichts bedeuten und ich mich auch von Ihrem Charme nicht verführen lassen werde. Sie brauchen sich daher gar nicht erst bemühen, ihn an mich zu verschwenden. Und obwohl ich zu schätzen weiß, welches Opfer Sie Ihrem Land erbracht haben ...“
„Oh, ich bitte Sie - lassen Sie doch diesen unsäglichen Unsinn aus dem Spiel“, unterbrach er sie mit eisiger Stimme.
Sein kühler Ton schüchterte sie indes nicht ein. Sie war den Umgang mit Männern gewohnt, die sie mit allen erdenklichen Strategien entweder zum Rückzug oder zum Einlenken bewegen wollten. Sie war Männer gewohnt, die es darauf abgesehen hatten, dass sie sich bedeutungslos und unsicher fühlte, und ihr ständig unsichtbare Schilder vor die Nase hielten, auf denen jedoch deutlich sichtbar „Zutritt verboten“ zu lesen war. Mirabel hatte längst gelernt, über diese Spielchen hinwegzusehen. Ihr war gar keine andere Wahl geblieben, als es zu lernen.
„Es ist kein Unsinn, und ich kann nicht verstehen, warum Sie so davon sprechen“, meinte sie nun. „Sie haben tapfer gekämpft. Sie haben bleibende Verletzungen davongetragen. Doch Sie sind weder der einzige Verwundete noch derjenige, der am meisten durchlitten hat.“
Starr und reglos, als hätte sie ihm einen Hieb versetzt, sah er sie an. Doch dann trat ein sanfter Ausdruck der Verwunderung in sein Gesicht, und kaum merklich umspielte die Andeutung eines Lächelns seine Lippen.
Auch seine starre Haltung lockerte sich allmählich, und schließlich sagte er: „Ein ganz ausgezeichneter Punkt, Miss Oldridge.“
Er hatte ihre Worte demnach nicht als beleidigend aufgefasst. Mirabel gestattete es ihrer Wertschätzung seiner Person, sich einige Grad weiter nach oben zu wagen. Sie fuhr fort: „Mir scheint es in der Tat besser, diese Dinge fortan getrennt zu halten. Tapferkeit in der Schlacht birgt nicht unbedingt Weisheit in anderen Lebenslagen.“
Er sah sie unverwandt an. Sie würde seine Miene als ernst bezeichnet haben, wenn nicht immer noch ein leichtes Lächeln seine Lippen umspielt hätte. Gerne hätte sie ihn gefragt, was dieses Beinahe-Lächeln bedeuten sollte. Sie war versucht, ganz furchtbar versucht, seine Mundwinkel zu berühren ... dort, wo es fast unmerklich lauerte. Und ihr Herz schlug auf einmal ein bisschen zu schnell.
Sie faltete ihre Hände vor dem Bauch und sagte stattdessen: „Sie sollten wissen, dass es für mich keinen Unterschied machen würde, wenn Sie der Duke of Wellington wären. Meine Kritik an dem Kanal bliebe unverändert, und ich würde alles daransetzen, Sie von dem Vorhaben abzubringen.“
„Sind Sie dem Duke of Wellington je begegnet?“, wollte er wissen.
„Nein, aber wie ich gehört habe, soll auch er über gutes Aussehen und Charme und eine beeindruckende Persönlichkeit verfügen.
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