Ein unversoehnliches Herz
weiter auf die Baronin und wartete auf ihre Antwort.
»Das war doch alles nur ein Spiel«, stammelte sie.
Sören Christers Hände begannen zu zittern, und es fiel ihm schwer, das Gewehr ruhig zu halten. Aus den Augenwinkeln sah er Doris näher kommen. Mit zögerlichen Schritten ging sie auf ihn zu. Er ließ sie herankommen, bis sie direkt neben ihm stand, hielt das Gewehr jedoch weiter auf die Baronin gerichtet.
Doris sagte mit sanfter Stimme:
»Es war nur ein Spiel.«
Sören Christer wurde unsicher, Schweiß trat ihm auf die Stirn. »Ich verstehe nicht«, sagte er.
»Sie haben nur mit dir gespielt. Es war alles im Voraus geplant.«
»Ich verstehe nicht!«, schrie Sören Christer aus vollem Hals. »Ich verstehe nicht!«
»Du bist nicht der Erste«, erklärte Doris und legte die Hand auf den Gewehrkolben.
Sören Christer riss das Gewehr zur Seite und machte sich frei. Er zielte wieder auf die Baronin und sie und der Baron duckten sich. Dann hörte Sören Christer Schritte hinter sich, aber ehe er sich umdrehen konnte, wurde er niedergeschlagen. Das Letzte, was er sah, bevor er das Bewusstsein verlor, waren die glänzenden Stiefel des Fahrers.
Im Streifenwagen nach Ahrweiler hielt Sören Christer sich nicht fest und flog in dem kleinen Laderaum hin und her. Durch das winzige Fenster sah er, dass sie die Straße nahmen, auf der er im Auto der Baronin gekommen war.
Er wurde vor und zurück geworfen, aber das interessierte ihn nicht. Es war vorbei. Es kam ihm vor, als hätte sich das Ganze in einem anderen Leben abgespielt. In gewisser Weise bereute er, dass er nicht abgedrückt hatte. Er erinnerte sich an den sterbenden Vogel, den er damals mit einem Schuss getötet hatte. Im Esszimmer hätte er das Gleiche tun können. Es wäre ein Kinderspiel gewesen.
Als er in Handschellen in den Wagen geworfen worden war, hatte er als Letztes die Stimme des Barons gehört, die schrie, dieser Verrückte müsse lebenslänglich eingesperrt werden. Danach aber auch die besänftigende Stimme der Baronin.
Sie hatten die Tür hinter ihm zugeschlagen, und er hatte auf dem Boden des Laderaums gehockt. Als sie eine Weile unterwegs waren, öffnete sich eine kleine Luke. Einer der Polizisten sprach ihn an.
»Du hast verdammtes Glück, du Dreckskerl«, sagte er.
Sören Christer schwieg, ohne ihn anzusehen.
»Dein Glück, dass nach dir gefahndet wird«, erklärte der andere. »Du bist aus einem Irrenhaus abgehauen, du Ratte?«
Sein Schweigen schien die Polizisten nur noch mehr anzustacheln. Doch am Ende waren sie es leid und knallten die Luke wieder zu.
Als der Streifenwagen am folgenden Morgen die Anstalt erreichte, herrschte dort bereits helle Aufregung. Menschen eilten herbei. Die Polizisten öffneten die Hecktür und zerrten Sören Christer ins Freie. Das plötzliche Sonnenlicht blendete ihn. Als sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, erkannte er Kling. Neben ihm gingen Doktor von Ehrenwall und Doktor Marks. Sie wirkten verbissen. Die Polizisten sprachen eine Weile mit von Ehrenwall, der nickte und zuhörte. Sören Christer hörte die Stimmen der Beamten:
»Baron von Dreis hat von einer Anzeige abgesehen.«
»Allem Anschein nach hat dieser Irre ihn mit einem Gewehr bedroht.«
»Er kann froh sein, dass er an angesehene Leute geraten ist, die sein Handeln mit Nachsicht betrachten.«
»Wir gehen davon aus, dass wir ihn außerhalb Ihrer Mauern nicht mehr zu Gesicht bekommen.«
Doktor von Ehrenwall und Doktor Marks nickten ein aufs andere Mal mit zerknirschter Miene. Kling dagegen schien vor Wut zu kochen.
Als die Polizisten endlich davonfuhren, sah Sören Christer eine Gestalt mit entschlossenen Schritten auf sie zukommen. Er erkannte den rollenden Gang. Amelie schob sich an den Ärzten und an Kling vorbei, umarmte Sören Christer und küsste ihn mehrmals. Dann wandte sie sich an Doktor von Ehrenwall.
»Es ist eine Schande! Sie sollten sich alle schämen!«
Doktor von Ehrenwall versuchte das Wort zu ergreifen, aber Amelie machte eine abwehrende Geste und sprach flüsternd zu Sören Christer:
»Ich habe deine Sachen gepackt. Ein Wagen erwartet uns, wir müssen hier weg. Diese Anstalt ist menschenunwürdig. Ich habe mit Poul gesprochen. Er wird eine Lösung finden. Du darfst bei ihm auf Vårstavi wohnen. Alles wird gut, mein kleiner Junge, alles wird gut. Poul hat versprochen, sich um alles zu kümmern.«
Sören Christer nickte. Nie zuvor waren die Umarmungen seiner Mutter so innig gewesen.
Sie setzten sich
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