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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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gerade ihre Kaffeetasse anheben wollen, ließ sie nun jedoch stehen. Sie räusperte sich und achtete sorgsam darauf, sich dabei die Hand vor den Mund zu halten.
    »Das halte ich für ausgeschlossen, Poul. So etwas würde Andreas niemals tun. In seiner Forschung suchte er Wahrheit und Klarheit. Sein Ziel waren immer prägnante Ergebnisse. Warum willst du es so aussehen lassen, als wären Andreas und diese Mörder … Freunde gewesen? Mörner war doch nur eine Person, die Andreas im Rahmen seiner Forschung studiert hat.«
    Sie seufzte und senkte den Blick.
    »Entschuldige«, sagte sie. »Da sind so viele Gefühle.«
    »Ich verstehe.«
    Madeleine spürte, dass sie errötete. Sie hatte beschlossen, nach Vårstavi zu fahren und sachlich zu bleiben. Jetzt war das genaue Gegenteil passiert. Weil sie immer weiterredete, hatte Poul die Oberhand gewonnen. Genau wie Andreas es ihr tausend Mal beschrieben hatte.
    Sie biss sich in die Lippe.
    »Noch einen Keks?«
    Madeleine hob die Hand, schüttelte den Kopf und lächelte.
    »Manchmal kommt mir der Gedanke, Poul, dass alles ganz anders gewesen wäre, wenn Andreas und ich uns kennengelernt hätten, als wir noch jung waren.«
    Sie lachte, merkte aber schnell, dass er nicht reagierte, und kratzte sich nervös an der Wange. Sie schwiegen lange. Schließlich sagte Poul:
    »Als junger Mann lernte er Amelie kennen. Nicht einmal sie bekam seine Melancholie in den Griff.«
    »Es ist schäbig, so etwas zu sagen. Ich begreife wirklich nicht, warum du mich von dir stoßen willst. Wecke ich einen solchen Überdruss bei dir?«
    »Aber Madeleine, wie kommst du nur darauf? Wer hat von Überdruss gesprochen? Ich habe meinen Bruder verloren, meine Mutter hat ihren Sohn verloren, Sören Christer seinen Vater. Und du hast deinen Mann verloren. Es ist eine Zeit der Trauer, in der wir zusammenstehen sollten.«
    »Aber darum geht es doch. Warum, Poul, kannst du nicht mit uns zusammenstehen, warum müssen wir uns um dich scharen?«
    Im ersten Moment fürchtete sie, er würde einen Wutanfall bekommen. Er sah aus, als könnte er jeden Moment mit der Faust auf den Tisch schlagen.
    Aber im Grunde sah sie nur die Röte, die an seinem Hals aufstieg.
    Er ließ den Blick durch den Raum schweifen. Sie fand, dass er auf einmal eher verletzt, missverstanden und beleidigt aussah.
    Madeleine hoffte, er würde etwas sagen, aber am Ende blieb es ihr überlassen, das Schweigen zu brechen:
    »Ich habe im Laufe der Jahre so viel über dich und Andreas gehört. Ich wünsche mir nur, dass jetzt Ruhe einkehrt. Ich glaube, dass ihr euch immer vermisst habt. Das hätte nicht sein müssen.«
    Poul sah sie an, als würde er abwägen, ob er ihren Gedankengang kommentieren sollte oder nicht. Dann lächelte er sie an, aber es war ein schwer zu deutendes Lächeln.
    »Unsere Beziehung war kompliziert«, sagte er. »Doch du lässt sie wie ein eigenständiges Wesen aussehen. Das ist falsch. Nichts kann wirken, ohne im Verhältnis zur Umgebung zu stehen. Das ist die Definition von Leben. Andreas und ich wirkten sehr verschieden auf unsere Umgebung. Ich würde sagen, dass unser Konflikt größtenteils darauf beruhte, wie Andreas seine Umgebung behandelte.«
    Madeleine kniff den Mund zu.
    »Nein«, sagte sie und schüttelte leicht den Kopf. »Ich glaube ganz im Gegenteil, dass es eher darum ging, wie er dich behandelte. So lange ihr einer Meinung wart, war alles in Ordnung. Und in Andreas’ düsteren Momenten wart ihr das. Ihr wart euch einig, dass er verflucht und nichts wert war, und ihr wart euch einig, dass du fantastisch und ein Erlöser bist. Ich denke, ihr habt angefangen, euch zu hassen, als er mit diesem Bild von dir nicht mehr einverstanden war. Dass er verflucht und nichts wert war, brauchtet ihr nie in Frage zu stellen, keiner von euch. Aber dass du dieser gute und erlösende Mensch warst, als er von dieser Sichtweise abwich, wurde euer Verhältnis kalt und verbittert.«
    »Wenn du glaubst, dass ich nur Freunde habe, die mich in den Himmel heben, weißt du herzlich wenig darüber, wie mein Leben aussieht.«
    »Freunde sind etwas anderes als die Familie.«
    »Genau. Und jetzt sitzen wir beide hier. Zwei Freunde. Andreas war mein Bruder, du bist angeheiratet, in zweiter Ehe. Das scheinst du nicht zu begreifen.«
    Ein Gongschlag durchschnitt plötzlich den Raum. Für Madeleine hörte es sich an, als käme er aus dem anderen Haus. Erst durch den seltsamen Laut wurde ihr bewusst, dass sich Vårstavis Lautlosigkeit, die ihr

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