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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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sitzt, nimmst ihre fast flehend zu einer Liebkosung gehobene Hand und küsst sie.
    »Doktor Lenmalm hat von einem neuen Medikament gesprochen, ich glaube, es kommt aus Deutschland. Es hat sich gegen Nervenschmerzen hervorragend bewährt.«
    »Ich brauche keine neuen Medikamente, Poul.«
    Sie seufzt, wirkt aber nicht traurig, nur müde, schrecklich müde. Du lockerst deinen Griff, sodass beide Hände auf die Bettkante sinken, die Finger noch verflochten.
    »Ohne dich hätte ich niemals die Kraft gehabt, so lange zu leben, wie ich es getan habe«, sagt Gunhild mit schwacher Stimme. »Du und die Kinder sind die größten Segnungen meines Lebens gewesen.«
    Du lächelst, willst das Gleiche sagen, musst erkennen, dass dies nicht geht, und bleibst stattdessen mit zitternder Unterlippe sitzen. Die Kinder – ihre Kinder – werden in deinem Haus immer herzlich willkommen sein, du wirst dich immer für sie verantwortlich fühlen, obwohl sie mittlerweile erwachsen sind. Du musst das nicht aussprechen, sie weiß es auch so.
    Aber sind sie die größten Segnungen deines Lebens? Nein, das sind sie nicht. Natürlich nicht. Du findest sie verwöhnt, und ihre vollkommene Unfähigkeit, selbst einmal die Initiative zu ergreifen, treibt dich regelmäßig in den Wahnsinn. Das hast du schon immer gedacht, vor allem von den Söhnen, aber auch von Amelie. Obwohl du vor ihr Respekt hast. Sie hat dich immer durchschaut.
    »Poul«, sagt Gunhild und sieht dir fest in die Augen. »Ich will auf Vårstavi liegen. Sollte es Probleme mit der Genehmigung geben, könnte ich mir auch das Familiengrab vorstellen, aber nur, falls es nicht möglich sein sollte, hierzubleiben.«
    Du lehnst dich vor und küsst sie.
    Sie flüstert:
    »Wir müssen für alles dankbar sein, was wir bekommen haben.«
    »Ich versuche es«, erwiderst du, »ich versuche es.«

Warum, Poul, kannst du nicht mit uns zusammen
    stehen, warum müssen wir uns um dich scharen?
    Vårstavi, 27. November 1925
    Vårstavi thront auf einem Hügel, im Sommer eingebettet in Grün und in den Wintermonaten tief verschneit bildet das Anwesen einen prachtvollen Anblick. Nähert man sich dem Haus, hat man das Gefühl, es stünde abgewandt und richtete den Blick auf den Malmsjön. Man wird scheinbar von der Rückseite des Gebäudes sowie einem hohen Zaun zwischen steinernen Pfeilern empfangen.
    Die beiden Häuser könnten schon immer dort gestanden haben, man hat den Eindruck, dass sie der Erde entwachsen sind. In keinem der Zimmer gibt es Deckenlampen, und die einzige Musik, die hier jemals gespielt wird, kommt von dem hübschen Flügel.
    Die schöne und beruhigende Atmosphäre, die Vårstavi umweht, sollte eigentlich jedem Menschen Frieden schenken. Aber Madeleine war unfähig, den Schauer zu unterdrücken, der sie durchfuhr, als sie das Anwesen erblickte. Hier, dachte sie, hat Poul also mit dem Geld des Vaters seinen Teil der Welt abgesteckt. Hier ist das Haus, das er selbst entworfen und geplant hat, hier betätigt er sich als Bildhauer, hier schreibt er Gedichte, arbeitet und wohnt er. Das ist sein Königreich. Das ist Vårstavi, wo Andreas und sie nie willkommen gewesen sind, so sehr sie sich auch bemühten.
    Aber jetzt, da Andreas nicht mehr war, hatte man sie eingeladen.
    Gnadenhalber, dachte sie.
    Sie bezahlte den Taxifahrer und sagte ihm, er brauche ihr beim Tragen nicht zu helfen, es sei ja nur ein kurzes Stück. Der Mann hob seine Mütze, nickte ihr zu und setzte sich wieder in den Wagen. Sie ließ ihn ein Stück fahren, ehe sie sich bückte, um die Tasche anzuheben.
    Sie strich ihren Mantel glatt und klopfte an. Um sich zu vergewissern, dass sie pünktlich war, blickte sie hastig auf die Uhr. Wahrscheinlich, dachte sie, hatte Poul bereits den Wagen gehört, also spielte es im Grunde keine Rolle mehr.
    Die Haushälterin öffnete ihr die Tür und ließ sie ins Haus. Sie nahm Madeleines Mantel und Tasche und erklärte, Doktor Bjerre erwarte sie im unteren Salon. Madeleine dankte ihr und traf ihn in einem Sessel sitzend in die Lektüre eines Buchs vertieft an. Auf dem Tisch lag aufgeschlagen sein Notizbuch.
    Sie klopfte leise an den Türpfosten und betrat anschließend den Raum. Er stand auf und kam ihr mit offenen Armen entgegen.
    »Madeleine!«, rief er aus und umarmte sie.
    »Es war eine furchtbare Fahrt.«
    »Wirklich? Tut mir leid, das zu hören. Soll ich Signhild bitten, uns etwas Tee oder Kaffee zu bringen?«
    »Eine Tasse Kaffee täte mir jetzt sicher gut.«
    Poul verschwand, um den

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