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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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Fallstudien zu benutzen.
    Aber es gibt eine andere Stimme, über die ich oft nachgedacht habe.
    Wir haben doch einige Freunde, die Biografien geschrieben haben, und wenn es etwas gibt, was mich skeptisch stimmte, dann der Versuch, ihren Werken den Anstrich von Objektivität zu geben. Als ob das möglich wäre. Wenn man einen Menschen beschreibt, deutet man ihn. Jede Biografie ist per se ein Roman. Und warum auch nicht? Das ganze Leben ist doch eine Frage der Deutung.
    Ich weiß, dass du einen Entwurf zu deiner Autobiografie geschrieben hast. Irgendjemand wird sie mit Sicherheit als die Wahrheit über dein Leben lesen. Wie du mich darin darstellen wirst, kann ich nicht wissen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder beschreibst du mich als Psychopathen, oder du erwähnst mich erst gar nicht.
    Im Moment denkst du allerdings nicht an mich.
    Gunhild ist das Einzige, was deine Sinne beschäftigt. Natürlich ist es so.
    Und plötzlich fällt dir auf, wie sehr sie in den letzten Wochen abgemagert ist. Dass dir das nicht früher aufgefallen ist … ist unverzeihlich , denkst du. Wo bist du nur mit deinen Gedanken gewesen? Und warum hat Lenmalm nicht mit dir darüber gesprochen?
    Für einen kurzen Moment wandern deine Gedanken in die Zeit nach ihrem Tod, aber da ist nichts, nur Finsternis, unbeschreibliche Finsternis.
    Du zwingst dich, klar zu denken und kehrst in das Zimmer zurück.
    »Ich wünschte, ich könnte etwas sagen«, wendest du dich mit langsamer und tastender Stimme an sie. »Ich wünschte, ich könnte etwas tun.«
    »Du hast in unseren gemeinsamen Jahren so viele gute Dinge gesagt, du musst jetzt nichts sagen. Aber ich möchte, dass meinen Kindern deine Tür immer offen steht. Sie sind erwachsen, aber in gewisser Weise ist es ja auch ihr Zuhause, ein Ort, an den sie zurückkehren können.«
    »Sie werden hier immer willkommen sein.«
    »Ich möchte auch nicht, dass du dich über Amelie ärgerst, weil sie mir von Andreas erzählt hat. Sie hat nie begriffen, wie du mich in all den Jahren geschützt hast. Sie führt ein völlig anderes Leben. Ich wünschte, ich hätte Madeleine gesehen, als sie hier war. Aber ich wäre zu müde gewesen. Verlief die Begegnung mit ihr trotz allem gut? Armer Poul, die Sache mit Andreas hat dich mitgenommen. Aber du bist ihm gegenüber immer nachsichtiger gewesen als ich.«
    »So würde ich es nicht ausdrücken. Es fällt einem nur so schwer, gewisse Dinge abzuschließen, so wie es einem leicht fällt, Neues zu beginnen. Ich wusste natürlich immer, dass Andreas unglücklich war, es wollte mir nur nie in den Kopf, warum er sein Unglück gegen mich und andere wendete. Ich meinte es doch nur gut mit ihm, habe mich immer für ihn eingesetzt, nicht zuletzt bei Mutter und Vater.«
    »Weil du ein gütiger Mensch bist, Poul. Vergiss sie nie. Deine Fähigkeit zu verzeihen.«
    Aber ihre Worte stimmen dich nur traurig, obwohl sie so tröstlich sind.
    »Ich habe immer gewusst, dass du mich verlassen würdest«, hast du gesagt, den Blick dabei auf den Boden gerichtet.

Große Steinblöcke, durch die der Fluss sich einen Weg
    gebahnt hat, von unten auseinandergefaltet, entblößt.
    Vårstavi, 27. November 1925
    Madeleine betrachtete den Flügel und den überfüllten Notenschrank. Sie wünschte sich so sehr, etwas Schönes spielen zu können, Brahms vielleicht oder den fantastischen Liszt. Die vielen Menschen, die Gunhilds schönen Gesang beschrieben hatten, der gleichsam zu schweben schien und stets den Raum ausfüllte. Sie selbst hatte Gunhild seit ihrer Kindheit nicht mehr singen gehört. Am ehesten erinnerte sie sich daran, dass Amelie von Gunhilds Gesang wie verzaubert gewesen war und mit aufgerissenen Augen dagesessen und mit ihrer Mutter geatmet hatte, wenn diese sang.
    Plötzlich öffnete sich die Tür, und Poul betrat mit zügigen Schritten den Raum.
    »Entschuldige bitte, dass es so lange gedauert hat. Ich musste mit Doktor Lenmalm noch über ein zusätzliches Rezept sprechen.«
    »Ich verstehe«, sagte Madeleine. »Die arme Gunhild.«
    Er ging zu einer Vitrine, holte zwei Gläser heraus und stellte sie auf den Tisch. Ihr fiel auf, dass seine Hände ein wenig zitterten.
    Sie beobachtete, wie er Sherry in die beiden Gläser goss und sich anschließend in den Sessel setzte.
    Sobald er die Beine übereinandergeschlagen hatte, war seine Unsicherheit verschwunden. Im Gegenteil, jetzt wirkte er entschlossen und autoritär und glich erneut dem Seelenarzt, der einen Patienten empfing.
    »Als wir uns

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