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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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möglich gewesen war, ihn so im Stich zu lassen.
    Erst als er so krank war, dass er nicht mehr aufstehen konnte, und sich weigerte, einen Arzt zu sehen, begriff sie, dass er die Professur aufgeben und nach Stockholm zurückkehren musste. Bei seinem letzten Hausbesuch hatte der estnische Arzt gesagt, er könne möglicherweise die körperlichen Leiden heilen, für die mentalen sei jedoch sie verantwortlich. Unter Aufbietung seiner letzten Kräfte hatte Andreas den Arzt aus dem Haus gejagt und war anschließend wie ein Sack Kartoffeln, mehr tot als lebendig, auf der Couch zusammengesackt. Sie hatte sich neben ihn gesetzt und seinen Kopf in ihren Schoß gelegt.
    »Ich habe solche Angst«, sagte er.
    »Ich weiß. Ich habe Poul gebeten, sich zu erkundigen, ob es einen Arzt in Schweden gibt, der herkommen kann.«
    »Das ist es nicht. Es ist nicht der Arzt … ich habe deinetwegen Angst. Begreifst du denn nicht, dass ich Angst habe, dich zu verletzen? Ich trage etwas Böses in mir, etwas, das mich von innen auffrisst. Wie sollst du das verstehen können, Madeleine? Ich bin ein Tier. Ein wildes Tier, das mordet, um zu überleben. Aber du siehst es nicht, du behandelst mich wie einen Menschen. Davor habe ich solche Angst: dass ich dich in Stücke reißen werde.«
    Sie wollte etwas sagen, ihn trösten und ihm versichern, dass er sich irrte. Aber sie brachte keinen Ton heraus. Stattdessen strichen ihre Finger noch einmal durch sein Haar, weil sie wusste, es war das Einzige, was er zulassen würde. Sie hatte furchtbare Angst vor diesem wilden Tier, aber nicht so, wie er es beschrieb. Sie hatte solche Angst davor, was es mit ihm anstellte. Sie hatte das Gefühl zuzusehen, wie er, Stück für Stück, Woche für Woche, Monat für Monat weggetrieben wurde.
    Und es blieb immer weniger von ihm übrig.
    Sie dachte an Kierkegaard, der Andreas so oft vor dem Aufgeben bewahrt zu haben schien, und seine Beschreibung der Seele, wenn sie sich vom Endlichen ab- und dem Unendlichen zuwandte. Wo die Liebe eine glückliche Liebe war. Und Gott diesen einzigen Wunsch erfüllte, aber dass man ihm gegenüber immer im Unrecht war.
    So war Andreas’ Liebe, dachte sie, immer überzeugt, das Falsche zu tun, stets im Unrecht zu sein, ob es nun um Gott oder jemand anderen ging. Die wahre Liebe blieb für ihn unerreichbar: entweder war sie wahr und fehlgeleitet oder unwahr und dem richtigen Menschen zugewandt.
    Sie wusste, dass er sie im Grunde nicht liebte, wenn er so über seinen Schreibtisch gebeugt saß. In diesem Zustand war er unfähig zu fühlen. Aber sie war auch in diesem Moment die richtige Person. Sie war der Mensch, von dem er sich am meisten wünschte , ihn lieben zu können. Und das, dachte sie, war das wärmste Gefühl, das sie jemals empfunden hatte.
    Sie wusste, dass sie nach Andreas nie wieder jemanden würde lieben können, denn an ihrer Liebe gab es niemals Zweifel: Sie liebte Andreas mehr als alles andere. Jetzt, da er nicht mehr lebte, war ein großer Teil ihrer selbst verlorengegangen.
    Aber sie wusste auch, dass ihre Trauer eine Weile zurückstehen musste. Sie war gezwungen, sich zusammenzureißen und Poul zu treffen, den Bruder, der Andreas immer in den schwarzen Brunnen hinabgedrückt hatte, den Bruder, der das wilde Tier in Andreas gefüttert hatte, statt es zu zähmen.
    Ja, sie musste Poul treffen. Deshalb war sie nach Vårstavi gefahren. Sie hatte einen Auftrag.

Lieber Bruder …
    Es ist vorbei. Du weißt es. Es spielt keine Rolle, dass dir fast schwarz vor Augen wird. Du kannst ohnehin nichts tun.
    »Ich bin bereit, Poul.«
    Ihre Worte.
    Sie schlagen unbeschreiblich abstoßend in dir ein. Aber ich bin nicht bereit , willst du laut ausrufen, noch lauter, damit sie es begreift.
    Nichts, Poul, macht uns so unglücklich wie das Gefühl, keinen Einfluss nehmen zu können. Und jetzt stehst du da und bist in etwas gefangen, das jenseits deiner Vorstellungskraft liegt. Alles in dir verkrampft sich, und ein Augenwinkel beginnt zu zucken.
    Gunhild sieht dich an. Ihr Blick weicht deinem nicht aus.
    »Ich habe keine Angst zu sterben, Poul. Das weißt du. Ich hatte weiß Gott reichlich Zeit, alles zu regeln. Die letzten zehn Jahre sind eine einzige große Vorbereitung gewesen.«
    »Ich will nicht, dass du mich verlässt. Wie soll ich darüber hinwegkommen?«
    »Du Ärmster, du musst so viel ertragen. Andreas … und dann ich. Und deine Mutter ist auch so krank.«
    Du lehnst dich weiter zu ihr vor, bis du auf der äußersten Stuhlkante

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