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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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entspannen. Bei ihr schöpfst du Kraft, so ist es immer gewesen. Wenn da nur nicht ihre Krankheit wäre, durch die sie inzwischen bis auf die Knochen abgemagert ist. Deine Frau, deren Augen täglich mehr erlöschen, die in ihrem Zimmer liegt und langsam vor sich hin siecht.
    Du hebst den Kopf, nur eine Spur, aber deine Miene verändert sich schlagartig. Du musst jetzt stark sein, denkst du. Gunhild hat sich schon mehr als einmal wie durch ein Wunder wieder erholt, vielleicht gibt es ja noch eine Chance. Es muss Hoffnung geben. Die Symptome sind gleich geblieben, mörderische Kopfschmerzen und schmerzende Glieder. Dass es sich um eine Nervenkrankheit handelt, steht seit langem fest. Rückfälle hat es viele gegeben, aber es ist ihr stets gelungen, wieder zu Kräften zu kommen.
    Das darf man nicht vergessen, denkst du und schlägst dir mit der Faust leicht gegen das Stirnbein, es ist ihr immer gelungen, sich wieder zu erholen.
    Dann aber stockt dein Gedanke, du zögerst.
    Sie ist seit Monaten bettlägerig, irgendwann wird sie aufgeben müssen. Doktor Lenmalm hat gesagt, dass es so nicht mehr lange weitergeht, ihr Körper hat in den letzten Jahren zu viel durchgemacht. Lenmalm weiß, wovon er spricht. Früher hast du in Jahren, dann in Monaten gedacht. Jetzt sind es nurmehr Wochen.
    Vielleicht geht es aber auch nur um Tage. Wenn es auch nur die Andeutung eines Auswegs gäbe, würdest du den weiten Weg bis ins Totenreich antreten, um sie zurückzuholen, und niemals würdest du dich umdrehen, niemals würdest du sie enttäuschen, nie mehr …
    In solchen Augenblicken, wenn du sie kämpfen siehst, ohne zu klagen oder etwas zu fordern, wirkt sie in deinen Augen fast übermenschlich. Nie hast du sie mehr geliebt als in jenen Momenten, in denen sie dich zu verlassen drohte, nur um ein paar Tage später zurückzukehren. Diese Tage sind wie Geschenke gewesen, wie etwas, dem du so viel Wert beigemessen hast, dass man von reiner Ehrfurcht sprechen kann. Es muss Hoffnung geben, denkst du.
    Du drehst dich um und verlässt das Schlafzimmer. Es ist spät, aber du willst trotzdem zu ihr gehen und dich vergewissern, dass sie friedlich schläft.
    Du hast eine Krankenschwester und eine Krankengymnastin eingestellt, aber das ist nicht das Gleiche. Nachts schlafen sie, und tagsüber sehen sie es als ihre Arbeit an. Wenn sie wach liegt und sich sorgt, bist du es, der da sein, sie beruhigen und wieder in den Schlaf wiegen sollte. Obwohl die Stunden, in denen sie wach ist, immer weniger werden. Es ist, als ergreife der Schlaf nach und nach ganz von ihr Besitz.
    Du machst ein paar taumelnde Schritte in der Dunkelheit, ehe du dich aufrichtest und den Flur zu ihrem Zimmer hinabgehst. Die Pantoffeln schlurfen über den Holzfußboden. Du achtest sorgsam darauf, leise zu sein, dennoch knarrt es auf den Dielen bei fast jedem Schritt.
    Vorsichtig öffnest du die Tür zu ihrem Zimmer. Sie liegt auf der Seite und du hörst sofort ihre tiefen Atemzüge. Wie sehr sie inzwischen nach Luft schnappt, denkst du und schreckst fast zurück. Dann aber reißt du dich zusammen, machst einen Schritt ins Zimmer, zündest eine Kerze an und wölbst die Hand über dem Messingständer. Langsam gehst du zu ihr, und sie erwacht nicht, liegt ganz friedlich mit geschlossenen Augen, ihr Atem geht ruhig und regelmäßig. Vielleicht war es nur ein Gähnen, das du beim Eintreten gehört hast, mehr nicht.
    Das Kerzenlicht verleiht ihrem bleichen Gesicht einen warmen Ton. Du legst die Hand auf ihre Stirn, danach den Handrücken an ihren Hals. Sie hat in dieser Nacht kein Fieber, was dich ein wenig beruhigt. Du küsst sie behutsam auf die Stirn, berührst sie nur flüchtig mit den Lippen, ehe du dich wieder zur Tür umwendest.
    Du willst gerade die Kerze auspusten, als dich eine plötzliche Attacke übermannt. Wieder dieser verfluchte Druck auf der Brust, die Anschuldigungen und die Intrigen. Du wimmerst gedämpft, unterdrückst das Geräusch, damit Gunhild nicht aufwacht. Der stechende Schmerz kommt in Schüben aus dem Magen, heftig und unerbittlich. Um deine Pein zu lindern, beißt du dir leicht in den Zeigefinger, legst die Hand vor die Augen, auf die sofort schweißbedeckte Stirn, wischst die Tränen fort, die aus den Augenwinkeln rinnen.
    Dann sieht du die Handfläche und könntest in diesem besonderen Moment – im flackernden Kerzenschein – schwören, dass du wieder im Wald bist, mit dem Messer in der Hand, und es gerade in den Baumstamm gerammt und dich dabei

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