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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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dachte er, dass sie Gefahr lief, einen Zug zu verpassen. Die Kutsche krängte in den Kurven, und sie wurde in dem kleinen Coupé fast hin und her geworfen.
    Es sollte nicht sonderlich lange dauern, zum Bahnhof zu gelangen, dachte sie. Wenn der Zug pünktlich eintraf, kam sie vielleicht trotzdem zu spät. Straßenbahnen klingelten und kreischten in den Kurven, Fahrräder irrten umher, und Menschen trödelten mitten auf der Straße. Aber der Kutscher manövrierte geschickt. Sie hörte, dass er die Peitsche knallen ließ und die Ardenner antrieb, die sich schnaubend und gewandt durch den Verkehr bewegten. Das größte Hindernis bildeten die Autos, die stotterten und sich ständig vor die langsameren Brauereiwagen schieben wollten, die am Norra Bantorget in einer Reihe fuhren.
    Sie legte ihm eine weitere Münze in die Hand, um ihm für seine zusätzlichen Bemühungen zu danken. Sobald der Wagen vor dem Bahnhof hielt, stieg sie suchenden Blickes aus. Sie hatte keine Zeit zu warten, bis der Mann von seinem Kutschbock herabstieg, ihr die Tür öffnete und auf die Straße half. Stattdessen sprang sie ohne fremde Hilfe hinunter und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm sein Geld zu reichen. Er hob den Hut und bedankte sich.
    Anschließend eilte sie zum Bahnhofsgebäude, wo man wie üblich gut darauf achtgeben musste, wohin man seine Füße setzte, vor allem nach den anhaltenden Regenfällen der letzten Wochen. Überall waren Lehm, Pferdeäpfel und kleine Wasserpfützen.
    Am Bahnsteig hatten sich zahlreiche Menschen versammelt, woraus sie schloss, dass sie noch rechtzeitig gekommen war. Tatsächlich hörte es sich ganz so an, als führe der Zug gerade in den Bahnhof ein. Sie spannte den Schirm auf, stellte sich etwas abseits und ließ den Blick über die Menschenmenge schweifen. Plötzlich erblickte sie Andreas. Er stand an der Wand und massierte nervös seine Hände. Schnell versteckte sie sich hinter einem großgewachsenen Mann, der mit ausgebreiteten Armen eine Tageszeitung las.
    Von ihrem verdeckten Aussichtsposten aus sah sie, dass Andreas mit dem Fuß aufzustampfen begann, aber nicht, als wollte er so einen Takt halten, sondern eher wie ein Zucken, dessen er sich nicht bewusst war. Auf einmal bekam sie ein schlechtes Gewissen. Hier zu stehen und ihn wie eine Spionin zu beobachten. Aus den Augenwinkeln nahm sie den Zug wahr, der gemächlich seinem Zielort entgegenstampfte.
    Im Tumult, zu dem es kam, als alle Reisenden aus dem Zug strömten, verlor sie Andreas aus den Augen. Es wurde eng, manchmal stieß sie jemand an. Auch wenn die Leute stets um Entschuldigung baten, hatte sie doch das Gefühl, im Weg zu stehen. Außerdem war der große Mann, hinter dem sie sich versteckt hatte, in der Menschenmenge verschwunden.
    Die Reihen lichteten sich allmählich, und bald darauf war es wieder möglich, sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Dann sah sie Andreas und Poul. Sie kämpften um eine Reisetasche. Erst griff Andreas nach ihr und hob sie an, dann zwang Poul sie wieder auf die Erde hinab.
    Sie lugte unter ihrem Sonnenschirm hervor und dankte ihrem Glücksstern dafür, dass die Sonne herausgekommen war. Es hätte ansonsten seltsam ausgesehen, wenn sie hier trotz Wolkendecke mit aufgespanntem Schirm gestanden hätte. Sie bereute bitterlich, dass ihr nicht mehr Zeit geblieben war, denn sonst hätte sie sich für ein schwarzes Kleid und einen Hut mit Schleier entschieden. Seelenruhig hätte sie das merkwürdige Ringen der beiden Brüder beobachten können.
    Schließlich nahm Andreas die Tasche und ging. Poul folgte ihm mit zögernden Schritten, während sein Blick über den Bahnsteig schweifte.
    Sie wandte sich schnell um und eilte ins Bahnhofsgebäude. Hinter einem Pfeiler verborgen sah sie die beiden die Halle durchqueren und auf der Vorderseite wieder verlassen. Sie folgte ihnen mit vorsichtigen Schritten.
    Vor dem Haupteingang wiederholte sich die Szene mit der Tasche. Diesmal war es allerdings Poul, der sie anzuheben versuchte, und Andreas, der sie auf der Erde festhielt. Die beiden standen sich immer drohender gegenüber, vor allem Poul, der laut wurde, sodass Passanten stehen blieben und sich umschauten.
    »Eine Erpressung?«, hörte sie Poul schreien. »Darum geht es hier? Um eine Erpressung?«
    Andreas schien bemüht, Ruhe zu bewahren. Einmal drehte er sich sogar um, sodass Gunhild den Schirm hochreißen und sich umdrehen musste.
    Pouls Körpersprache war abzulesen gewesen, dass etwas vorgefallen war und man

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