Ein unversoehnliches Herz
nach meiner Meinung fragtest, schufst du einen Ausnahmezustand. Das wussten wir beide. Es war für uns ein Weg, unseren Kontakt selbst dann noch aufrechtzuerhalten, als du Gunhild geheiratet hast.
Wenn ich die Manuskripte und Bücher jedoch las, als wären sie von irgendwem verfasst worden, nahmst du mir das übel und fandest mich ungerecht und kategorisch. Als wäre es meine Absicht gewesen, dich zu verletzen, während es mir in Wahrheit darum ging, in dir einen ernst zu nehmenden Forscher und Schriftsteller zu sehen.
Es fehlte mir lange Zeit, dass du mir deine Bücher schicktest. Früher hätte ich es vielleicht nicht so ausgedrückt, es war eher etwas in meinem Körper, dem es fehlte. Eine Traurigkeit, die jenseits jeder Vernunft war. Denn ich hätte mir sagen können, es war gut, dass du aufhörtest, mich um mein Urteil zu bitten, wenn du doch nicht vernünftig genug warst, es als das zu akzeptieren, was es war: konstruktive Kritik.
Zeitweise wollte ich dich mit etwas Scharfem verletzen, damit du etwas spüren würdest. Ich bin seit jeher darauf fixiert gewesen, dich dazu zu bringen, echte Gefühle zu zeigen, nicht diese intriganten Wahnsinnsausbrüche, die du ständig zur Schau gestellt hast. Du bist schon immer auf eine Art empfindsam gewesen, die nur wenige Menschen verstehen – ja, auf eine Weise, die ich wohl selbst nie wirklich verstanden habe. Deine seltsame Einstellung zu deinem künstlerischen Werk und deiner wissenschaftlichen Arbeit, als stünden sie höher als ein belangloses menschliches Wesen wie ich es fassen könnte. Nur wenige kennen deine weicheren Seiten. Sie sahen dich nie nach Vårstavi und in den Schoß der Familie zurückkehren, um dort deine Wunden zu lecken, nachdem du in einer Debatte zusammengestaucht worden warst.
Am schlimmsten war es mit Sicherheit, als du Hjalmar Söderberg und seinen Roman Doktor Glas angegriffen und dem Roman jegliche Distanz zur erbärmlich erdichteten Gestalt des Erzählers abgesprochen hast. Wer weiß, vielleicht wird man sich – wenn die Zeit ihre erstickende Erdschicht über uns beide gebreitet hat – nur noch wegen Söderbergs Replik an dich erinnern, die er in Versen veröffentlichte, mit denen er dich lächerlich machen wollte. » Wenn zu Bjerre geht ein Irrer, wird er ungeheuer schnell viel wirrer! «
Söderberg wusste allerdings nicht, dass du mir gegenüber immer seine Größe unterstrichen hast. Du hast in ihm den Meister der psychologischen Prosa gesehen, was jedoch eher damit zusammenhängen mag, dass ich ihn seit jeher für einen ziemlich unbedeutenden Autor gehalten habe. Wenn man tatsächlich diskutieren möchte, ob ein Mensch das Recht hat, einen anderen Menschen zu töten, würde ich niemals die Lektüre von Doktor Glas empfehlen. Dostojewski kriecht einem nicht so verdammt in den Arsch oder schreibt um den heißen Brei herum, bei ihm findet man die wahren Proportionen des Verbrechens und den Schmerz, der außer Psychopathen niemandem erspart bleibt. Es ist der Mangel an Gewissensbissen, den ich bei Söderberg nie ertragen konnte. Ich würde ihn nicht den Meister der psychologischen Prosa nennen, eher schon den Meister der technisch brillierenden Prosa. Kurzum, einen Handwerker. Unter zahlreichen anderen guten Handwerkern.
Vielleicht hängt unsere Unfähigkeit, uns über deine Texte auszutauschen, auch damit zusammen, dass du dich nie für meine Arbeit interessiert hast. Es schien mir, als wären deine Kommentare ausschließlich als brüderliches Schulterklopfen gemeint gewesen. Oder vielmehr: als das Schulterklopfen eines großen Bruders.
Und hinter dem freundlichen Klopfen schimmerte das Desinteresse durch.
Aber du warst nicht der Einzige, der meine Arbeit als einen Fehlschlag betrachtete. Natürlich. Im Grunde bestätigte dein Desinteresse nur, was ich immer schon gewusst habe.
Ich bin allerdings der Meinung, dass deine Schriften mit der Zeit die Kraft verloren, die ihnen anfangs eigen war. Und am meisten störte mich vielleicht dein Nietzschekomplex. Das Übermenschliche, Theologische, Erlösende, dieses ganze jämmerliche Gefasel. So großspurig, dass einem körperlich schlecht wird – aber bitte, das passt womöglich zu jemandem, der sich als Übermensch sieht und glaubt, die ganze Menschheit erlösen zu können. Ich finde es eher lächerlich – und das sage ich mit einem Höchstmaß an Redlichkeit und Verstellung. Oder von mir aus auch Liebe.
Natürlich behauptest du das Gleiche über mich und Kierkegaard. Es muss praktisch
Weitere Kostenlose Bücher