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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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hatte darin bestanden, für zwei Töchter verantwortlich zu sein statt für eine.
    Wie konnte Amelie ihre Wohnung nur eng nennen – wo sie doch vom italienischen Licht durchflutet wurde und für eine neue Phase in ihrem Leben stand, die voller Leben war. Der einzige Makel war die ständige Erinnerung an die Scheidung von Andreas durch Madeleines Anwesenheit.
    Madeleine war sicher, dass Amelie über Andreas hinwegkommen würde. Dafür gab es zahlreiche Gründe. Amelie hatte eine so überschwängliche Art, dass es ihr einfach undenkbar erschien, sie sich nicht mit einem neuen Mann vorzustellen.
    Schlimmer stand es um Madeleines Scheidung von Wathier Hamilton. Als er die Bedingungen festlegte, hatte Madeleine nur genickt, obwohl sie aberwitzig waren. Sie hätte alles unterschrieben. Selbst wenn in dem Schriftstück gestanden hätte, dass sie ins Exil verwiesen, auf dem Marktplatz an den Pranger gestellt oder gefoltert und als Sklavin nach Amerika verkauft werden sollte, hätte dies keine Rolle gespielt. Sie hätte es unterschrieben.
    Sie war ein leerer Mensch, den andere für unglücklich hielten.
    Aber unglücklich zu sein war etwas völlig anderes. Sie kämpfte gegen die Leere – andere sahen nur, dass sie unglücklich war oder ein schwaches Nervenkostüm hatte, was vermutlich hinter ihrem Rücken getuschelt wurde. Sie wusste, die Leute fanden, sie habe zu schnell nachgegeben und dass es unverantwortlich von ihr war, das Sorgerecht für die Kinder ihrem Mann zu überlassen. Natürlich hatte sie ihre Entscheidung seither viele, viele Male bereut.
    Es gab einen Moment, in dem sie erkannte, wie sie sich in diese grauenvolle Situation manövriert hatte und dass sie sich befreien musste. Als sie die enge, die zusammengekauerte Seele sah, den Abgrund, in den sie gestoßen wurde. Und wie sie sich selbst zur Steinigung freigegeben hatte, um zu bekommen, was andere Menschen in ihrem Leben zu erreichen versuchten: eine eigene Familie und geordnete finanzielle Verhältnisse. Wenn es ihr in Rom tatsächlich gelänge, Amelie zu erklären, was diese Scheidung mit ihr angestellt hatte, würde Amelie dann verstehen können, würde ihr Urteil über sie dann weniger hart ausfallen?
    Sie erinnerte sich mit grauenhafter Deutlichkeit an ihre Scheidung. Es war Herbst gewesen, er trug seinen dicken, moosgrünen Pullover mit dem Spezialfutter an der Schulter für das Gewehr, das man dort anlegen sollte. Graf Hamilton, der sich an die große Anrichte setzte und sie stumm und stierend ansah. Sie merkte, dass sie etwas sagen wollte, egal was, brachte aber kein Wort heraus und spürte, wie sich sein Blick an ihr festsaugte. Es juckte in ihrem Nacken, und sie versuchte sich zurückzuhalten, aber am Ende musste sie sich kratzen, fuhr mit dem Fingernagel über die Stelle und spürte, dass er sie immer weiter anglotzte.
    Mit seinem schrecklichen, starrenden Blick.
    Dann fing es sofort wieder an zu jucken, obwohl sie eben erst über die Stelle gerieben hatte, und sie musste erneut die Fingernägel zu Hilfe nehmen. Diesmal hörte es jedoch nicht auf zu jucken. Also ließ sie die Hand in ihrem Nacken liegen und spürte, wie sich das Jucken auf ihren Hals, die Schultern, auf Brüste und Bauch ausbreitete, und gleichzeitig von den Beinen zur Innenseite der Oberschenkel und zu ihrem Unterleib aufstieg. Ihr ganzer Körper war von diesem stechenden Brennen und seinem starren Blick erfüllt gewesen. Er sagte kein einziges Wort, saß nur da und sah sie unverwandt an.
    Dann brach sie in Tränen aus. Sie hätte alles darum gegeben, sich das zu ersparen, aber es war unvermeidlich. Erst kam eine einsame Träne, die ihr das Gesicht hinablief, und sie spürte den Weg der Träne zu ihrem Mundwinkel. Der salzige Geschmack, der sich mit Speichel vermischte. Im nächsten Moment schluchzte sie, wortlos, stumm. Und es juckte immer weiter, so sehr sie auch mit den Fingernägeln über ihren Nacken fuhr, wo es angefangen hatte, und danach über die Schultern, ihre Brust.
    Schließlich stand er auf.
    Er sagte kein Wort, als er sie mit ihrem Schluchzen und Jucken zurückließ. Kein einziges Wort.
    Sie hatte zum ersten Mal zugelassen, dass er sie weinen sah. Als er das nächste Mal mit ihr sprach, diktierte er ihr die Bedingungen für die Scheidung.
    Und nun, in Rom, behauptete Amelie, ihre Wohnung sei eng . Hier gab es nichts, was man eng oder erstickend nennen konnte. Im Gegenteil, die Wohnung war voll von pulsierendem Leben und Bewegung.
    Das hätte Madeleine Amelie gerne

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