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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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hielt, weil er jegliche Farbe verloren hatte und mit dem sonnengedörrten Gras verschmolzen war, das einen so unverzeihlich großen Teil des Gemäldes einnahm.
    Es war gleichsam die Botschaft, dass selbst ihre Jugend vergänglich war. Bald würde sie, wie der Zweig und das Gras, in dem Einzigen aufgehen, was uns alle überlebt: Moos, Zweige und Staub.
    Plötzlich wurde es zu einem furchterregenden Bild. Zu einem Vorboten, den du weder abtun noch verstecken konntest. Es beunruhigte und lockte dich gleichermaßen, genau wie jene Geisterwesen, zu denen wir uns als Kinder so hingezogen fühlten. Aber im Grunde ging es doch um das, was man über die Mona Lisa sagt: Jeder Versuch, ihr Lächeln zu deuten, war nichts als eine Deutung der Person, die das Werk betrachtete.
    Du aber konntest nur daran denken, wie kurz die für uns abgesteckte Zeit auf Erden doch ist.

Und durch die Menschenmenge zwängten
sich drei schnurrbärtige
    Carabinieri – zwei Tote, zwei Frauen sind tot!
    Rom, 29. Juni 1912
    Die Wohnung war geputzt und eingerichtet. Amelie und Madeleine setzten sich auf Schemel und mussten lachen. Es war wirklich unglaublich. Es gab sicher nicht viele, die weniger geeignet gewesen wären, eine Wohnung wie diese instandzusetzen, als sie.
    Glücklicherweise war Amelie ihrem Nachbarn Pietro begegnet, der sich um alles gekümmert hatte, was Leitungen und Elektrizität betraf. Amelie hatte ihm vorgegaukelt, dass das Ganze bestimmt nicht länger als ein oder zwei Stunden dauern würde. Zwei Tage hatte der Mann ununterbrochen gearbeitet.
    Jetzt war alles fertig. Ihre Belohnung bestand aus zwei Tagen, an denen sie es sich einfach nur gut gehen lassen würden. Als Erstes würden sie schwimmen gehen, darauf bestand Amelie. Es wurde jedoch ein langer vormittäglicher Spaziergang, während die Sonne immer höher stieg und es minütlich heißer wurde. Fast eine Stunde dauerte es, an der Piazza del Popolo loszugehen und auf der anderen Seite der Mauer den Hang der Piazzale Flaminia hinab am Rande der Villa Borghese mit ihren Springbrunnen und Statuen und weiter die ganze Via Flaminia hinunterzugehen. Die Hitze war in der Zwischenzeit fast unerträglich geworden, und sie mussten sich mit den Handtüchern, die sie auf ihren Schultern trugen, den Schweiß von der Stirn wischen.
    Auf dem Markt herrschte reges Treiben, und es wurde eifrig gefeilscht. Sie blieben stehen und beobachteten den Betrieb mit großem Interesse. Für eine Schwedin war es unmöglich, dem Geschehen zu folgen, aber Amelie versuchte sich auf die Gebote zu konzentrieren. Immerhin wusste sie, dass sie schon bald Teil dieser Stadt sein würde, also lernte sie die Spielregeln am besten möglichst schnell. Zur Belohnung gab es jedenfalls ein paar Birnen und für jeden ein kleines Stück Käse.
    Schließlich erreichten sie die Ponte Molle. Auf der einen Brückenseite lag der Badeplatz der Männer – ein weiträumiger Sandstrand voller Umkleidekabinen und Menschen, die Gymnastik trieben und in kleinen Booten paddelten. Es herrschte ein lautes Treiben von Männern in allen Altersstufen, von halb nackten und jungen römischen Halbgöttern, die Strandtennis spielten, bis zu älteren Herren, die mit Sonnenhüten und Hängebäuchen in ihre Liegestühle plumpsten.
    Auf der anderen Brückenseite lag völlig verwaist der Frauenstrand. Als Strand konnte man ihn allerdings kaum bezeichnen. Ein kleiner Sandstreifen führte zum Wasser hinab und war im Grunde das Einzige, was anzeigte, dass es sich um einen Badestrand handelte.
    Amelie und Madeleine ließen sich davon jedoch nicht abschrecken. Eine alte Frau, die in einiger Entfernung ihre Wäsche wusch, beobachtete sie ein wenig über die Schulter hinweg, schüttelte den Kopf und wusch weiter. Vielleicht schnaubte die Frau angesichts der neuen Badeanzüge, die sie vor ihrer Abreise für ein halbes Vermögen im Kaufhaus NK erstanden hatten.
    Amelie tauchte als Erste den Fuß ins Wasser.
    »Oh!«, rief sie aus. »Es ist eiskalt. Wunderbar!«
    Madeleine war beim Anblick des schmutzig braunen Tiber weniger beeindruckt.
    »Der Fluss sieht aus wie die reinste Kloake.«
    »Ach was. Das ist nur Sand, der vom Grund aufgewirbelt wurde«, versuchte Amelie ihre Zweifel zu zerstreuen.
    »Ja, sicher.«
    Sobald sie im Wasser waren, klang es jedoch schon anders. Beide fanden den Fluss wunderbar erfrischend und angenehm. Sie hörten die Männer in einigen hundert Metern Entfernung am anderen Flussufer lärmen. Anfangs erschien es ihnen fast ein wenig

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