Ein unversoehnliches Herz
das Kranke, das Irrende zu beschreiben, etwas Erhabenes. Das hatte er getan: deutlich gemacht, warum sie in einer Lebenslüge lebte. Wen wunderte es dann noch, dass er sie aus ihr befreien würde?
Wenn sie das Amelie doch nur verständlich machen könnte.
Es ging zu keinem Zeitpunkt darum, sie zu betrügen oder um ein verliebtes Techtelmechtel, sondern um viel mehr. Es ging ums Überleben – genau so, wie Amelie ihren Umzug nach Rom beschrieben hatte – und es dank der grenzenlosen Kraft der Liebe zu tun. Sie hatte Amelie nicht ihren Mann abspenstig machen wollen. Sie hatte nur versucht, einen Weg zum Weiterleben zu finden!
Mehrmals hatte Madeleine gedacht, dass es ihr vielleicht gelingen würde, vollkommen aufrichtig zu sein. Deshalb hatte sie Andreas getrotzt und Amelie nach Rom begleitet, wo sich ihr eventuell die Chance bieten würde, die Sache endgültig ins rechte Licht zu rücken.
Aber sie traute sich nicht. Warum nicht? Weil Amelie ihr eine Frage stellen konnte, die sich nicht beantworten ließ.
Wann ist es eigentlich passiert, wann habt ihr erkannt, dass ihr euch liebt?
Amelie würde es ihr niemals verzeihen, wenn sie dies erführe.
Ihr war deutlich anzumerken, dass der Besuch im Caffè Greco für sie enttäuschend verlief. Den Kaffee trank sie mit gleichgültiger Miene, das Teilchen kostete sie nur, und Wein wollte sie keinen haben. Sie stellte die Tasse ab und schaute sich gelangweilt um.
Schließlich kam der Kellner und räumte die leeren Tassen ab. Er dienerte und buckelte und überreichte die Rechnung. Madeleine sah Amelie zusammenzucken, als sie las, was auf dem kleinen Zettel stand.
»Großer Gott«, sagte sie. »Die sind verrückt .«
»Was kostet es?«
Aber Amelie zog die Rechnung an sich, damit Madeleine den Betrag nicht sehen konnte, griff nach ihrer Handtasche und holte ihr Portemonnaie heraus.
»Ich habe dich hierhergeschleift, also werde ich auch bezahlen.«
»Aber Amelie, wie albern du bist.«
Madeleine wusste jedoch, dass sie Amelie niemals würde umstimmen können. Stattdessen musste sie zusehen, wie Amelie Münzen und Geldscheine heraussuchte und dabei vor Wut zu kochen schien. Madeleine senkte den Blick. Sie hätte mit Freuden selbst bezahlt, wenn es ihr so erspart geblieben wäre, Amelie derart aufgebracht zu sehen.
Glücklicherweise legte sich Amelies Ärger, sobald sie das Lokal verlassen hatten und auf die Piazza di Spagna hinausgekommen waren. Sie spazierten heimwärts, und Amelie hakte sich bei Madeleine ein, sodass sie Arm in Arm gingen.
»Du hättest mich nicht einladen brauchen«, sagte Madeleine.
»Ich weiß durchaus, was sich gehört. Ich habe dich immerhin dorthingeschleift.«
»Nicht geschleift …«
»Doch, Madeleine, aber lass uns nicht mehr darüber sprechen.«
Dann zeigte Amelie Madeleine die Spanische Treppe und den Brunnen Fontana della Barcaccia, der aussah wie ein gestrandetes Schiff. Überall flanierten Menschen, die den angenehm kühlen Abend genossen. Kinder liefen umher, als interessierte es die Erwachsenen nicht, dass für sie längst Schlafenszeit sein müsste.
Madeleine atmete tief durch. Doch, Rom hatte trotz allem etwas. Natürlich konnte man in Stockholm ins Hotel Rydberg gehen und Kassettendecken und Rondelle aus Spiegelglas sehen. Aber das hier war etwas völlig anderes. Rom brodelte auf ebenso verlockende wie beängstigende Art vor Leben.
Sie wusste, dass sie in dieser Stadt niemals leben könnte. Ebenso sicher war sie, dass Amelie ihren Ort auf Erden gefunden hatte. Seit ihrer Kindheit hatten sie so viel gemeinsam erlebt. Jetzt war die Zeit gekommen, getrennte Wege zu gehen. Das Schicksal hatte es so gewollt, dass sie sich in denselben Mann verliebt hatten. Nach dem, was mit Andreas passiert war, führte für sie beide kein Weg zurück.
Madeleine schmiegte sich enger an Amelie, und sie setzten ihren abendlichen Heimweg fort. In den letzten Tagen war das Schweigen zwischen ihnen manchmal schier unerträglich gewesen. Jetzt war es eher beruhigend. Sie schlenderten und betrachteten die Menschen, grüßten und studierten die Ruinen, die über die ganze Stadt verteilt zu sein schienen.
Madeleines Gedanken schweiften allerdings in die Vergangenheit ab, bis in ihre Kindheit in Schonen zurück. Damals war alles so viel einfacher gewesen. Als sie den Sommer über spielten, während Amelies Eltern in Paris oder an der Riviera waren, um etwas für Gunhilds Gesundheit zu tun.
Ihre Kindheit in Schonen, eine Ewigkeit war das her.
Sie hatten
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