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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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gesagt, als diese mit einer Flasche Wein und zwei Gläsern ins Zimmer zurückkehrte. Du hast so viel, Amelie, so viel mehr als jeder andere, dem ich jemals begegnet bin. Du hast alles außer Andreas, aber du bist ohne ihn besser dran.
    Sie streckte die Hand nach Amelie aus und dachte, dass sie ihre Freundin gern umarmt hätte. Aber noch ehe Amelie überhaupt in ihre Nähe gekommen war, hatte sie auch schon einen anderen Ort ins Auge gefasst, wo sie den Wein trinken wollte. Sie huschte ins Nebenzimmer und tischte dort auf.
    Und Madeleine eilte ihr hinterher.

Lieber Bruder …
    Du hast so oft versucht, sie loszuwerden, dieses gespenstische Wesen, diese Mrs d’Espérance.
    Vor allem, als sie von Skeptikern bis ins Detail unter die Lupe genommen wurde und man sie eine Schwindlerin und Scharlatanin nannte. Trotzdem taucht ihr Gesicht auf, sobald du die Augen schließt, und das dreißig Jahre später. Dir ist schleierhaft, wie das möglich ist.
    Obwohl sich vermutlich alle aus unserer Generation an die okkulte Welle erinnern, die im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts über ganz Europa schwappte. Wir fühlten uns doch alle davon angezogen. Du besuchtest Séancen, trafst Magnetiseure und Medien. Manche hatten diesen durchdringenden Blick, der die Seele zu durchbohren schien.
    Aber was war eigentlich so verlockend daran? Waren es die Aktivitäten im Raum oder etwas, das in deinem Inneren vorging? Denn irgendetwas zog dich dorthin, obwohl du versucht hast, dich dagegen zu wehren. Du fürchtetest dich doch vor der Verlockung, du fürchtetest dich, weil du dir nicht sicher warst, die Kontrolle behalten zu können.
    Und wenn du etwas schon immer verabscheut hast, Poul, dann sind es Dinge in dir, die du nicht kontrollieren kannst.
    Nachdem du an zahlreichen Zusammenkünften in gedämpftem Licht, an den ewigen Anrufungen von Geistern und dem berühmten Augenrollen teilgenommen hattest, fühltest du dich den anderen, diesen verzweifelten und suchenden Menschen immer noch fern. Du hast sie in ihrer Jagd nach dem Unbekannten tragisch gefunden. Als suchten sie nur eine Bestätigung für etwas, das sie ohnehin schon glaubten. Meistens hast du gedacht, dass die Dinge, die sie als fantastisch wahrnahmen, in Wahrheit innerhalb der Gruppe vorgingen, und nur dort.
    Auf die Menschen und ihre Sinne ist kein Verlass, hast du immer wieder erklärt, vor allem, wenn sie schon im Voraus beschlossen haben, was sie finden werden und sich mit nichts anderem zufrieden geben. Und wenn es um das Okkulte geht, hat das den kleinen bitteren Beigeschmack einer Suche nach Ewigkeit. Die klassische Angst vor dem Tod. Wenn es der Religion nicht gelungen ist, den Menschen die Gewissheit zu geben, dass es über die sechzig, siebzig Jahre hinaus, die einem beschieden sind, noch etwas gibt, werden sie mit der gleichen Verzweiflung vom Esoterischen angezogen.
    Schenkt mir ewiges Leben! Erklärt mir, warum ich zwar lebe, aber nur so kurz! Gebt mir meine toten Nächsten zurück! Diese armen Würstchen, wie irren sie sich doch vor lauter Angst und Unverstand. Statt die Zeit zu genießen, die ihnen bleibt, statt zu lieben, solange noch Zeit dazu ist.
    Du warst der Meinung, das meiste gehe auf das Konto von Bauernfängern, die eine Chance witterten, ein paar ängstlichen Seelen ihre Ersparnisse abzuluchsen. Es gebe keine Grenzen dafür, was man einer trauernden Witwe abknöpfen könne, die ein Gespräch mit ihrem verstorbenen Ehemann führen wolle. Und sei es auch nur, um Fragen zu Abrechnungen und Familienkleinoden zu stellen. Nein, auf diese Scharlatanerie fielst du nicht herein.
    Aber dann kam eines Tages Mrs d’Espérance.
    Schon durch den Namen verbreitet sich ein warmer Strom in deinem Körper. Du hast an Puvis de Chavannes Gemälde gedacht, das du in Paris gesehen hattest. Du hast es mir eingehend beschrieben: das junge, nackte Mädchen auf der weißen Decke, ihr seltsam plattes Gesicht, das den Betrachter unverwandt ansah, den ausgestreckten Arm, ein kleiner Zweig in der Hand. Hinter ihr türmte sich das Schlossgebäude auf, und dahinter lag das Meer, als sichtbare Befreiung in weiter Ferne.
    Du hast behauptet, du hättest lange gebraucht, um zu erkennen, warum dich dieses Bild so narrte. War es das Gesicht, seine plattgedrückte Form, oder der kleine Mund, die eng stehenden Augen? Im Grunde sei es ein jämmerliches Äußeres, hast du gemeint, aber dennoch apart, unangetastet. Dann wieder dachtest du, dass es womöglich an dem kleinen Zweig lag, den sie

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