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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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umgebaut werden, eine Handdusche in einem Verschlag durfte nur eine provisorische Lösung sein.
    »Was meinst du, Madeleine? Sei ehrlich.«
    Madeleine schreckte auf, als hätte man sie dabei ertappt, auf ihrem Posten eingeschlafen zu sein. Sie blickte zu Amelie hoch und verhaspelte sich.
    »Ich finde sie … na ja, charmant«, sagte Madeleine.
    » Charmant ?«
    »Ja …«
    »Ist es nicht ziemlich eng?«
    »Doch, schon.«
    Wieder entstand dieses Zögern zwischen ihnen. Und als Amelie weiterstürmte, diesmal, um eine Flasche Wein zu holen, blieb Madeleine auf ihrem Stuhl sitzen.
    Sie war am Ende ihrer Kräfte. Wenn sie gekonnt hätte, wäre sie aufgestanden, hätte die Wohnung verlassen und wäre den ganzen, langen Weg zum Bahnhof gegangen, um dort auf den nächsten Zug nach Schweden zu warten. Es gab hier nichts, wobei sie Amelie behilflich sein konnte, bloß die verzweifelte Hoffnung auf eine Versöhnung. Aber diese Versöhnung war nicht möglich, und vermutlich hatten sie es beide gewusst, aber etwas anderes glauben wollen.
    Sie hätte Amelie so gern an ihrem eigenen Glück teilhaben lassen. Nie zuvor war ihr dieses Glück jedoch so deplatziert erschienen. Nur als sie selbst am Vorabend von Amelies Hochzeit von ihrer missglückten Ehe mit Wathier Hamilton erzählte, hatte es eine ähnlich verzweifelte Diskrepanz gegeben. Das war zwar schon eine Ewigkeit her, aber die Erinnerung daran war niemals verblasst.
    Aber diese Erinnerung war das Letzte, worüber sie jetzt mit Amelie sprechen wollte. In ihrer Vergangenheit gab es nur Trauer und Verzweiflung und nichts, was Amelie behilflich sein konnte. Sie war jetzt glücklich, so unglücklich Amelie auch sein mochte, und ihre Reise nach Rom war von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen.
    Dann erkannte Madeleine schlagartig: Sie würde Amelie gegenüber niemals ohne Schuld sein. Soviel sie auch zahlte, die ursprüngliche Schuld blieb. Sie hätte es längst begreifen müssen, es lag auf der Hand.
    Und sie wurde das Wort nicht los, das in ihrem Kopf unablässig wiederholt wurde. Eng . Sie begriff nicht, was Amelie meinte.
    Die Jahre, in denen Madeleine als frisch vermählte Frau mit Wathier Hamilton auf dem Gut Marsvinsholm gelebt hatte, das so groß und geräumig war und so wahnsinnig schön im Frühjahr, wenn der Garten im April von blühenden Kirschbäumen und im Mai von den Apfelbäumen überschwemmt wurde. Ein Anblick in Weiß und Hellrosa.
    Die vielen Anlässe, zu denen sie Gäste empfangen und in der Pergola flaniert oder in der Fliederlaube gesessen hatten. Im Haus konnte man von Zimmer zu Zimmer gehen, die Fenster aufschlagen, das herrliche, südschwedische Licht hereinströmen lassen, die wunderbaren Düfte der Landschaft nach Flieder und frisch geschlagenem Heu. Dann wurden Tee und Limonade serviert, die Kinder liefen aufgedreht herum, tollten, spielten Badminton und Krocket und flehten sie an, doch mitzuspielen. Sie aber schüttelte den Kopf: Nein, spielt ihr ruhig alleine, ich lese so lange . Das Lachen und Jauchzen, ein Buch auf dem Schoß, aufgeschlagen, aber ohne, dass sie weitergekommen wäre.
    Die Verlogenheit, die dazu führte, dass die Worte im Buch sie ansprangen. Wenn sich ihre Seele zusammenklumpte und die Brust sich verkrampfte, ohne dass es jemand sah.
    Das war Enge . In der Idylle des geerbten Familienguts zu sitzen, wo einem jeder verführerische Duft nur geliehen erschien – nein, schlimmer noch, als wäre er gestohlen. Sie war niemals ein Teil von Marsvinsholm gewesen, obwohl sie sich geschworen hatte, nicht den Fehler ihrer Mutter zu wiederholen und den falschen Mann zu heiraten. Und dann endete es trotzdem genauso katastrophal. Ein Ehemann, der einzog und das Gut übernahm, sich ganz zu Hause fühlte, polterte und mit großer Geste anzeigte, wo die Möbel stehen sollten. Es wollte ihr nicht in den Kopf, dass sie so lange gebraucht hatte, um zu erkennen, welch großen Fehler sie gemacht hatte.
    Als sie zum ersten Mal wagte, es in Worte zu fassen, war Amelie ihre Zuhörerin gewesen, am Vorabend ihrer Hochzeit mit Andreas. Sie hatte die Worte immer noch im Ohr: dass ihr Leben nur Fassade war. Dadurch änderte sich jedoch nichts, obwohl Amelie den Arm um ihre Schultern legte und sie gemeinsam weinten, Amelie in ihrem neuen Hochzeitskleid, auf das Andreas bestanden hatte, obwohl es viel zu teuer gewesen war. Im Jahr darauf war Madeleine erneut schwanger gewesen und alles in der gleichen Abwärtsspirale weitergegangen. Der einzige Unterschied

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