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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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sich kennengelernt, als Amelies Großvater das Gut Charlottenlund kaufte und das große Haus renovieren ließ. Auf der Eisenbahnlinie Malmö - Ystad fuhr die Familie von Ystad aus die zwölf Kilometer nach Westen. Es war eine magische Zeit gewesen. Amelie und Madeleine hatten den ganzen geheimnisvollen Garten für sich, errichteten ihre eigenen Fantasiewelten, spielten ihre eigenen Stücke, träumten von der Zukunft. Drohte ihnen Gefahr, konnten sie sich in der Fliederlaube verstecken, einen mit Saft und Keksen gefüllten Korb mitnehmen und sich, geschützt vor allem Bösen, verbergen.
    Das Gut Charlottenlund, das Amelies Großvater gehörte, war früher eine Außenstelle des Guts Marsvinsholm gewesen, das im Besitz von Baron Jules Stjernblad war. Seine Tochter übernahm es 1880, als sie Adolf Bennet heiratete. Es war eine unglückliche Ehe. Und so kam es schon bald zu der Katastrophe, die zur Folge hatte, dass eine der vornehmsten Familien Schonens beschuldigt wurde, sich wie der gemeinste Pöbel zu benehmen.
    Im Grunde waren es zwei Katastrophen. Zur ersten kam es, als Adolf Bennet sich einen Gewehrlauf in den Mund schob und abdrückte. Zur zweiten, als seine Frau Ida kurz darauf der großen Liebe ihres Lebens begegnete.
    Das war zu viel des Guten für den schonischen Adel. Mit einem Selbstmord konnte man umgehen. Aber die Witwe kurz darauf mit einem Liebhaber in der Presse auftauchen zu sehen, war mehr als man zu tolerieren bereit war. Wenn man den Zeitungsberichten glaubte, stand außer Frage, dass Ida ihren unglücklichen Gatten schikaniert und in den Selbstmord getrieben hatte. Wahrscheinlich hatte sie ihn überdies schon die ganze Zeit betrogen.
    Die arme Ida musste erkennen, dass man sie für immer verstoßen hatte. Aber was spielte das schon für eine Rolle? Sie war Gösta begegnet, ihrer großen Liebe. Leider waren ihnen nur wenige gemeinsame Jahre vergönnt. Denn kurze Zeit später erfuhr Gösta von seinem Arzt, dass sein Rückenleiden schon bald zu Lähmung und unausweichlichem Tod führen würde. Nach dieser schrecklichen Prognose beschloss Ida unverzüglich, Gösta ohne Rücksicht auf die Reaktionen der Leute zu heiraten. Ihre Liebe schloss ein, dass sie für ihn da war, solange er lebte, und sie würde alles tun, um dafür zu sorgen, dass er noch lange lebte.
    Und nicht nur das – bald darauf war Ida schwanger. Trotz der drohenden Sorgenwolken, die über Göstas Gesundheit hingen, trotz der gehässigen Zeitungsartikel und der Verurteilung durch ihren Bekanntenkreis, hatte Ida sich niemals besser gefühlt. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie glücklich. Die ganze Familie ließ sich von ihrer überschwänglich guten Laune mitreißen, von ihrer durch nichts zu erschütternden Überzeugung, dass sie gemeinsam, ohne Rücksicht auf die Ansichten anderer, etwas Gerechtes und Liebevolles aufbauen würden.
    Monatelang waren beide von Idas Schwangerschaft und einer wundersamen Besserung von Göstas Zustand ganz berauscht. Aber auch diesmal währte ihr Glück nur kurz. Das Kind kam zu früh, Ida wurde von Krämpfen geschüttelt und ein Arzt gerufen. Tagelang kämpfte man um ihr Leben. Gösta musste aus Norwegen, wo er sich in einem Sanatorium aufhielt, nach Hause eilen. Als er ankam, erfuhr er auf der Eingangstreppe, dass Ida nicht einmal eine Stunde vor seiner Ankunft gestorben war. Er brach zusammen und stand nie wieder auf. Seine Beine waren von jenem Tag an gelähmt, und er starb wenige Jahre später lahm und blind.
    Idas jüngste Tochter war Madeleine Bennet.
    Sobald Amelie und Madeleine zu Hause waren, schlug Amelie die Fensterläden auf, die mit Wucht gegen die Backsteine schlugen. Aber es kümmerte sie nicht im Mindesten, dass Mitternacht schon lange vorbei war und es klang, als würde das ganze Haus einstürzen. Stattdessen lief sie ins nächste Zimmer, um die Prozedur dort zu wiederholen. Hoch mit dem Riegel und, peng, flogen auch dort die Luken auf.
    »Endlich frische Luft, sodass man atmen kann!«, rief sie.
    Madeleine folgte ihr mit zwei Schritten Abstand.
    »Großer Gott, sieht das hier tragisch aus«, seufzte Amelie und schaute sich im Zimmer um.
    Die Wohnung hatte auf dem Bild des Maklers so nett ausgesehen. Aber Amelie fand die Zimmer stickig, klein und dunkel. Der Preis war erschwinglich, da gab es nichts zu meckern, vor allem, wenn man die Lage bedachte. Trotzdem redete sie ständig davon, dass sie es nie und nimmer aushalten würde, auf Dauer so beengt zu wohnen. Das Badezimmer musste auch

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