Ein unwiderstehliches Angebot: Roman (German Edition)
er der Familie schuldete. Und doch reizte es ihn, dass Vivian nichts auf Titel oder Geld gab und bestimmt nie nur deswegen heiraten würde. Was zugleich bedeutete, dass sie ihn, wie die Dinge gerade standen, überhaupt nicht heiratete, überlegte er ironisch.
Allerdings wirkte sie zunehmend verlegen. Vielleicht war jetzt der richtige Zeitpunkt, ihr zu Hilfe zu kommen. Er hatte ohnehin lange genug geschwiegen.
»Könnten Vivian und ich wohl unter vier Augen darüber sprechen?«, fragte er.
Unter anderen Umständen hätte ihr Vater zweifellos seine Erlaubnis verweigert, aber jetzt nickte Sir Edwin. Obwohl der Duke, seiner Miene nach zu urteilen, anders entschieden hätte, erhob er sich. »Das ist vielleicht das Beste.« Lucien fing den Blick seines Vaters auf und begriff, was der von ihm erwartete.
Tu, was nötig ist, um dieses Durcheinander wieder in Ordnung zu bringen. Überzeuge sie. Verführe sie, hole ihr Einverständnis. Diese Hochzeit muss unter allen Umständen stattfinden.
Nachdem die beiden Herren den Raum verlassen hatten, schaute Lucien die Frau, die möglicherweise seine Braut würde, schweigend an, bis sie ihm ihr Gesicht zuwandte. Sanft sagte er: »Da Charles und du fast von Geburt an befreundet wart und immer durch dick und dünn miteinander gegangen seid, weißt du ganz genau, was hier gespielt wird. Wohin sind sie geflohen? Nach Gretna Green?«
Vivian versteifte sich. »Natürlich habe ich nicht … Ich würde nie … Ich meine, also …«
Lucien hob die Brauen, nach wie vor lässig an den Kamin gelehnt. Sie war keine gute Lügnerin. Ein Charakterzug, den er sehr schätzte.
Sie verstummte und atmete hörbar aus. »Also ja, ich wusste davon. Bitte erzähl meiner Mutter nichts davon.«
Er fand ihre Aufrichtigkeit erfrischend. »Da kannst du ziemlich sicher sein, denn deine Mutter und ich verkehren nicht privat«, sagte er leicht ironisch und brachte damit indirekt zum Ausdruck, dass er Vivians Mutter überheblich fand und ihr nach Möglichkeit aus dem Weg ging. Nicht so Sir Edwin, denn den mochte er.
Vivian lachte. Nur kurz und erstickt, aber es war immerhin ein Lachen. »Das glaube ich dir unbesehen. Sie will immer nur über die neuesten Klatschgeschichten reden, und ich wüsste nicht, warum Mylord daran interessiert sein sollte«, sagte sie betont formell und lachte erneut. »Nein, du bist viel zu praktisch veranlagt, um damit deine Zeit zu verschwenden.«
Sie saß noch immer brav auf dem Stuhl am anderen Ende des Zimmers. Einzelne Strähnen waren aus dem Knoten gerutscht und umrahmten ihr Gesicht. Fragend blickte sie zu ihm auf. »Also versuchst du, um Charles’ willen den Skandal zu vermeiden. Ich denke, jetzt verstehe ich, um was es geht.«
Das war nicht die ganze Wahrheit. Lucien grinste sie spöttisch an. »Meine Motive sind selten so rein, wie du unterstellst. Obwohl Charles als Entschuldigung sicher in Betracht kommt. Wenn ich meine genauen Absichten darlegen sollte, würde ich vermutlich sagen, dass unsere Verlobung beiden Familien Peinlichkeiten erspart. Wegen der geplatzten Verlobung und wegen Charles’ nicht standesgemäßer Heirat. Wenn hingegen bekannt wird, dass du meinen Antrag angenommen hast, interessiert sich keiner mehr für Charles. Und nun erzähl mir, wie er dich überreden konnte, ihm zu helfen.«
Nach kurzem Schweigen entschloss sie sich zum Reden, und ihr Gesichtsausdruck wirkte gleichermaßen resolut und verletzlich. »Er hat mir ziemlich bald von Louisa erzählt. Ganz ehrlich, ich habe ihn nie so … nun ja, so euphorisch erlebt. Es war wirklich sehr romantisch, denn es muss Liebe auf den ersten Blick gewesen sein. Ich selbst wollte nie glauben, dass es so etwas überhaupt gibt, besonders nicht bei einem eher flatterhaften Typen wie Charles. Aber offensichtlich ist es doch möglich.«
Lucien schmunzelte. Sein Bruder war weiß Gott ein Filou allererster Güte. Charmant und gutherzig, dabei leichtsinnig und unbekümmert. Selbst wenn er nicht so gut aussähe und aus einer weniger bedeutenden Familie stammte, würden sich die Frauen um ihn reißen. Charles konnte jede haben.
»Es ist wirklich großzügig von dir, deinem Verlobten bei seiner Flucht mit einer anderen Frau zu helfen«, sagte er in unbeteiligtem Ton.
»Wie hätte ich ihm nicht helfen sollen? Er ist mein bester Freund.« Eine schlichte Feststellung, an der nicht zu rütteln war.
»Ich weiß, dass er für dich genauso empfindet.«
Lucien hatte diese unbedingte Zuneigung immer einzigartig gefunden,
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