Ein unwiderstehliches Angebot: Roman (German Edition)
wenngleich er sie nicht verstand. Weil er nicht dahinterkam, was seinen Bruder und Vivian verband. Zwar unterhielt auch er ein paar platonische Freundschaften zu Frauen, doch die sahen nicht so aus wie Vivian Lacrosse …
Seine Zuneigung zu ihr war jedenfalls alles andere als platonisch.
»Bitte, versteh«, ihre Wangen überzog eine sanfte Röte, »ich wurde vorhin von der neuen Situation einfach überrollt. Es ist sehr … nobel von dir, mit deinem Antrag mein Gesicht zu wahren«, beendete sie den Satz lahm.
Er musste lachen. »Ich bin jetzt zweiunddreißig, Vivian. Und ich glaube, bisher hat mich noch nie jemand nobel genannt. Ich hatte für alles, was ich bisher getan habe, immer einen guten Grund. Und meist wurde ich nicht gerade von Selbstlosigkeit geleitet. Also lassen wir mal meine Motivation beiseite und wenden uns der Kernfrage zu. Wie du schon ganz richtig bemerkt hast, bin ich ein praktisch veranlagter Mann.«
Sie starrte ihn verwirrt an.
»Mein Heiratsantrag«, fügte er hinzu.
»Oh.« Ihre schmalen Finger krampften sich um den Stoff ihres Rockes.
»Es gibt einen triftigen Grund, warum diese Verbindung uns beiden zum Vorteil gereicht. Wir kennen uns bereits sehr lange, und unsere Familien stehen einander sehr nahe. Obwohl ich deine Leidenschaft für die Botanik nicht teile, kann ich sie gewissermaßen verstehen. Schließlich ist mein Vater vom selben Hobby beseelt.«
Der Hinweis auf diese Passion war sein bestes Argument, denn fast alle Männer störte diese Beschäftigung. Ihm hingegen würde es nicht ausmachen, wenn sie ihre Freizeit im Gewächshaus verbrachte. Vielleicht trugen diese Überlegungen ja dazu bei, Vivian in die gewünschte Richtung zu lenken.
Sie hatte ja keine Ahnung, wie sehr er sich wünschte, dass sie seine Frau wurde. Und ebenso wenig würde sie vermuten, dass er an die Liebe auf den ersten Blick glaubte. Ja, dass er sie sogar kannte. Und erst recht würde sie nicht vermuten, dass sie es war, in die er sich schon vor langer Zeit verliebt hatte.
Kapitel 2
Vivian kam sich vor, als habe sie geträumt. Etwas sehr Bizarres. Normalerweise schüttelte sie solche Träume beim Aufwachen einfach ab und wunderte sich lediglich im Nachhinein, welch skurrile Bilder der menschliche Verstand im Schlaf heraufbeschwor. Doch dann konnte sie aufstehen und den Tag angehen wie sonst auch.
Lucien Caverleigh allerdings war kein Traum, und das Bild ließ sich nicht abschütteln. Er stand nach wie vor im Salon ihres Elternhauses, anscheinend ungerührt und unbeeindruckt wie immer. Und sie hatte absolut keine Ahnung, was sie auf seine Frage antworten sollte. Sein gutes Aussehen war legendär. Mit Recht, denn wenn sie ihn beschreiben sollte, fiel ihr nur das Wort dramatisch ein. Eigentlich vermied sie solche Ausdrücke, aber auf Lucien traf es weiß Gott zu.
Obwohl sie so ziemlich alle jungen Männer der Londoner Gesellschaft kannte, war ihr nie einer wie er über den Weg gelaufen. Seine Gesichtszüge waren perfekt mit den klassisch klaren Linien. Sein dunkles Haar, das bisweilen mahagonifarben schimmerte, stand im krassen Gegensatz zu den blauen Augen. Kinn und Mundpartie waren kantig und wirkten energisch und verstärkten den leicht arroganten Gesichtsausdruck. Seine Figur war ebenfalls beeindruckend, ein rundherum attraktiver Mann also.
Doch nicht allein deshalb hatte er diese umwerfende Wirkung.
Es gab in ihrem Bekanntenkreis keinen Zweiten, der eine derartige Präsenz ausstrahlte wie Lucien Caverleigh. Man spürte seine Anwesenheit, selbst wenn man ihn nicht sah. Vivian war sicher, dass es allen Frauen so erging, was neben seinem Titel und seinem Reichtum zusätzlich dazu beitrug, dass er derzeit als der mit Abstand begehrteste Junggeselle in England galt.
Und ausgerechnet er, dem die Damenwelt zu Füßen lag, bemühte sich, sie zu überreden, seinen Antrag anzunehmen. Wahnsinn.
Niemand würde das glauben. Sie begriff es ja selbst nicht.
Vermutlich war die Erklärung ganz einfach die, dass er Charles aus der Schusslinie bringen wollte. Ja, wenn man es genau betrachtete, konnte es nur darum gehen. Charles rauszuhauen war Lucien in Fleisch und Blut übergegangen, denn seit jeher steckte der jüngere Bruder ständig in irgendwelchen Schwierigkeiten, obwohl es sich meist um Bagatellen handelte. Und nie hatte er ein Wort darüber verloren, sondern wie ein Grab geschwiegen.
Trotzdem musste er nicht so weit gehen, eine Frau wie sie zu heiraten, die wegen ihrer exzentrischen Interessen nicht
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