Ein unwiderstehliches Angebot: Roman (German Edition)
Abstammung, sein Titel und seine Besitztümer bei so gut wie allen jungen Ladys ausreichten, um mit Kusshand Ja zu sagen. Nicht so bei Vivian, denn die ließ sich weder von Titeln noch von Reichtümern blenden. Wenn er die entsetzte Miene richtig deutete, die sich auf ihrem hübschen Gesicht abzeichnete, zählte das alles nicht. Eigentlich nicht sonderlich schmeichelhaft für ihn, dachte er amüsiert.
Eigentlich wirkte sie geradezu entsetzt.
»Was?« Sie starrte ihren Vater an, und ihre schmalen Schultern strafften sich.
Lucien mochte die von langen Wimpern beschatteten Augen, die von einem ungewöhnlichen Grün waren und eine perfekte Ergänzung zu ihrer makellosen, strahlenden Haut bildeten. Die Hände, die sie bisher sittsam im Schoß gefaltet hatte, verkrampften sich, sodass die Knöchel weiß hervortraten. Die Zeiten, als sie ein schlaksiges Kind war, lagen lange zurück. Inzwischen war sie zu einer ungewöhnlichen Schönheit erblüht, und mit ihren zarten Gesichtszügen und ihrem schlanken, wohlgeformten Körper zog sie bestimmt begehrliche Blicke auf sich.
Seine Aufmerksamkeit hatte sie jedenfalls erregt, und jetzt war er sogar bereit, für sie ein Wagnis einzugehen und sich eine Abfuhr zu holen. Vor ihrer Verlobung mit Charles hatte sie nämlich eine Reihe Körbe verteilt. Keiner war ihm entgangen. Für jemanden, der sonst absolut kein Interesse an Klatsch und Tratsch zeigte, eine bemerkenswerte Tatsache. Aber es ging schließlich um die wunderschöne, begehrenswerte Miss Lacrosse.
Was aber sollte er machen, wenn sie ihm ebenfalls einen Korb gab?
Ihr Vater sagte ruhig: »Er wünscht, dich zu heiraten.«
»Nein.« Sie schüttelte heftig und wie von Panik ergriffen den Kopf.
Nein? War es das schon? Ließ sie ihn abblitzen? Zwar hatte Lucien, da er Vivian kannte, eine solche Reaktion nicht ausgeschlossen, jedoch insgeheim trotzdem auf ein anderes Resultat gehofft.
»Der Marquess ist sich dessen bewusst, wie wichtig von der Familie eingegangene Verpflichtungen sind.«
Das auch, dachte Lucien, aber vor allem fühlte er sich von ihrer einzigartige Ausstrahlung angezogen. Da konnten ihm all die hübschen Gesichter der Debütantinnen gestohlen bleiben. Er hatte sowieso noch nie allzu viel für oberflächliche Schönheit übriggehabt. Leichtfertige Flirts und bedeutungslose Affären waren nicht seine Sache. Und Vivian war eben ganz anders und in dieser Hinsicht ein bisschen wie er. Genauso wenig wie er spielte sie und würde vermutlich niemals eine bedeutungslose Beziehung in Betracht ziehen.
Sie schluckte, als sie bemerkte, dass er sie nicht aus den Augen ließ. Nach kurzem Schweigen stammelte sie: »Nein. Ja … Ich, ich bin bestimmt … Also, er weiß, was Pflichtbewusstsein heißt. Ich wollte nicht, also … Er muss nicht um mich anhalten, nur weil Charles weggelaufen ist. Ich bin zweiundzwanzig und kein kleines heulendes Mädchen mehr. Er sollte sich nicht verpflichtet fühlen.«
Und trotzdem bin ich hier, dachte Lucien. Sein Blick ruhte auf dem eleganten Schwung ihres Halses und den Rundungen, die sich unter ihrem Mieder abzeichneten. Auf den dichten Wimpern, die weiche Schatten auf ihre hohen Wangenknochen warfen … Er konnte es irgendwie nicht begreifen, dass sie noch immer unverheiratet war.
Natürlich schreckten ihre Interessen, die als undamenhaft galten, viele Bewerber ab. Zumindest die interessanten. Und die anderen wollte sie nicht. Lucien hatte nie begriffen, dass sich nicht mehr Gentlemen von ihrer ungewöhnlichen Erscheinung hatten gefangen nehmen lassen. Gut, sie entsprach vielleicht nicht ganz dem gängigen Schönheitsideal, aber gerade das zog ihn an. Für ihn wurde Schönheit nicht zwingend durch symmetrische Gesichtszüge oder die Haarfarbe einer Frau definiert. In Vivians Fall war das Hervorstechende die natürliche Weiblichkeit, die sie trotz ihrer unorthodoxen Hobbys ausstrahlte.
»Bitte führ das genauer aus.« Die Stimme von Luciens Vater klang belegt. Man merkte ihm an, dass er Charles’ Verhalten als Verrat an der Familienehre betrachtete. »Mein jüngster Sohn verhält sich leider allzu selten verantwortungsbewusst. Wenigstens besitzt mein älterer genug Ehrgefühl für beide.«
Der Duke war selbst kein Heiliger, und in seiner Vergangenheit hatte es eine Menge Frauen gegeben, allerdings diskrete, heimliche Geliebte, die niemals eine offizielle Rolle in seinem Leben spielten, während Charles sich vor aller Welt zu der Pfarrerstochter bekennen wollte.
Lucien wusste, was
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