Ein Vampir für alle Fälle
zu meinem alten Haus führte. Das Herzstück des Hauses war vor über einhundertsechzig Jahren errichtet worden, aber von der ursprünglichen Struktur war natürlich nicht mehr viel übrig. Das Haus war erweitert und umgebaut worden und hatte in all den Jahrzehnten auch immer mal wieder ein neues Dach bekommen. Anfangs hatte es nur zwei Zimmer gehabt, aber auch wenn es jetzt viel größer war, blieb es doch ein ganz gewöhnliches Wohnhaus.
Heute Abend wirkte das Haus sehr friedlich im Schein der Außenbeleuchtung, die meine Mitbewohnerin Arnelia Broadway für mich angelassen hatte. Amelias Wagen stand hinter dem Haus, und ich parkte genau daneben. Ich nahm die Schlüssel zur Hand für den Fall, dass sie schon nach oben ins Bett gegangen war. Amelia hatte die Tür mit dem Fliegengitter offen gelassen, und so verriegelte ich sie hinter mir. Dann schloss ich den Hintereingang auf und hinter mir sogleich wieder zu. Mit der Sicherheit nahmen wir es höllisch genau, Amelia und ich, vor allem bei Nacht.
Zu meiner Überraschung saß Amelia am Küchentisch und wartete auf mich. In all den Wochen, die wir nun schon zusammenwohnten, hatte sich eine Art Routine herausgebildet, und normalerweise war Amelia zu dieser Uhrzeit bereits nach oben verschwunden. Sie hatte im ersten Stock einen eigenen Fernseher, ein Handy und ein Notebook, und sie besaß einen Bibliotheksausweis der Stadtbücherei, so dass sie stets genug zu lesen da hatte. Und dann arbeitete sie ja auch noch an ihren Zauberkünsten, wozu ich ihr aber keine Fragen stellte. Niemals. Amelia war eine Hexe.
»Wie ist es gelaufen?«, fragte sie und rührte in ihrem Tee, als wolle sie einen kleinen Whirlpool daraus machen.
»Na ja, sie haben geheiratet. Keine der Bräute ist in letzter Minute getürmt, Glens Vampirkunden haben sich tadellos benommen, und Miss Caroline war die Güte in Person. Aber ich musste für eine der Brautjungfern einspringen.«
»Oh, wow! Erzähl mal.«
Das tat ich, und an einigen Stellen mussten wir beide lachen. Ich dachte kurz daran, Amelia auch von dem schönen alten Mann im Schatten zu erzählen, tat es dann aber doch nicht. Was hätte ich auch sagen sollen? Er hat mich angesehen, vielleicht? Dafür erzählte ich ihr von Jonathan aus Nevada.
»Was meinst du, was wollte er wirklich?«, fragte Amelia.
»Keine Ahnung.« Ich zuckte die Achseln.
»Du musst es herausfinden. Allein schon, weil du noch nie etwas von dem Kerl gehört hast, dessen Gast er angeblich war.«
»Ich werde Eric anrufen - wenn nicht heute Nacht, dann morgen Nacht.«
»Zu schade, dass du kein Exemplar dieser Datenbank von Bill gekauft hast. Gestern erst habe ich im Internet eine Werbeanzeige dafür gesehen, auf einer Vampirwebseite.« So abrupt, wie es schien, war dieser Themenwechsel gar nicht. Bills Datenbank enthielt Bilder und/oder Lebensläufe aller Vampire auf der Welt, die er hatte ausfindig machen können. Und sogar von einigen, von denen er nur gehört hatte. Bills kleine CD brachte seinem Boss, Königin Sophie-Anne, mehr Geld ein, als ich mir je hätte träumen lassen. Aber man musste Vampir sein, um sie kaufen zu dürfen, und das wurde peinlich genau überprüft.
»Tja, da Bill fünfhundert Dollar pro Stück verlangt und es ein ziemliches Risiko ist, sich als Vampir auszugeben ...«, erwiderte ich.
Amelia winkte ab. »Das wäre es allemal wert.«
Amelia war sehr viel raffinierter als ich ... in mancher Hinsicht zumindest. Sie war in New Orleans aufgewachsen und hatte dort beinahe ihr ganzes Leben verbracht. Jetzt wohnte sie bei mir, weil sie einen riesengroßen Fehler gemacht hatte. Sie war gezwungen gewesen, New Orleans zu verlassen, nachdem sie mit ihrer Unerfahrenheit in Sachen Magie eine Katastrophe verursacht hatte. Was andererseits ein großes Glück für sie war, denn kurz danach brach Katrina über das Land herein. Seit dem Hurrikan wohnte ihr Mieter, der das Apartment im oberen Stockwerk von Amelias Haus bewohnte, allein dort. Ihr eigenes Apartment im Erdgeschoss hatte einige Schäden erlitten, und weil der junge Mann jetzt die Renovierung des Hauses überwachte, nahm sie zurzeit keine Miete von ihm.
Ah, und hier war der Grund dafür, dass Amelia auch so bald nicht nach New Orleans zurückkehren würde. Bob kam auf leisen Pfoten in die Küche und strich zur Begrüßung liebevoll um meine Beine herum.
»Hey, du süßer Schnuckel«, säuselte ich und nahm den schwarz-weißen Kater auf den Arm. »Wie geht's unserem Liebling denn heute?«
»Mir wird
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