Ein Vampir für alle Fälle
ziemlich erleichtert und sehr gern in ihre viel bescheideneren Heime zurückkehren. Halleigh und Andy würden ein eigenes kleines Haus beziehen.
Ich fragte mich, was es mit Jonathan und dem schönen runzligen Mann auf sich hatte.
Ich sagte mir noch einmal, dass ich unbedingt Eric anrufen sollte, sobald er heute Abend aufgestanden war.
Ich dachte über Bills unerwartete Worte nach.
Und zum millionsten Mal überlegte ich, was es mit Quinns Schweigen auf sich haben könnte.
Doch ehe ich mich ganz meiner Grübelei hingeben konnte, erfasste mich der Hurrikan Amelia.
Es gibt eine ganze Menge an Amelia, was ich wirklich mag, ja sogar liebe. Sie ist absolut direkt, begeisterungsfähig und talentiert. Sie weiß alles über die Welt der Supras, kennt meinen Platz darin und findet mein seltsames »Talent« richtig cool. Ich kann mit ihr über alles reden, und nie reagiert sie mit Abscheu oder Angst. Allerdings kann Amelia auch ziemlich spontan und eigensinnig sein. Aber man muss die Leute nehmen, wie sie sind. Alles in allem wohne ich richtig gern mit ihr zusammen.
Und sie hat auch praktische Fähigkeiten: Sie kann prima kochen, hält peinlich genau unsere Sachen auseinander und ist weiß Gott die reinlichste Mitbewohnerin, die es gibt. Wenn Amelia eines wirklich kann, dann Putzen. Sie putzt, wenn ihr langweilig ist, sie putzt, wenn sie nervös ist, und sie putzt, wenn sie ein schlechtes Gewissen hat. Ich bin in dieser Disziplin auch nicht gerade eine Amateurin, aber Amelia ist die unangefochtene Weltmeisterin. An dem Tag, an dem sie beinahe einen Autounfall gebaut hatte, reinigte sie die komplette Einrichtung meines Wohnzimmers, samt Polstern und allem. Als ihr Mieter sie anrief und ihr erzählte, dass das Haus ein neues Dach brauche, fuhr sie in die Stadt und kam mit einer Maschine wieder, mit der sie die Parkettböden bohnerte und polierte, im Erdgeschoss und oben.
Als ich um neun Uhr aufstand, befand sich Amelia bereits mitten in einem von dem bevorstehenden Besuch ihres Vaters ausgelösten Putzwahn. Um Viertel vor elf, als ich zur Kirche aufbrach, kroch Amelia auf allen vieren im Bad im Erdgeschoss herum, das zugegebenermaßen äußerst altmodisch wirkt mit seinen kleinen achteckigen schwarz-weißen Fliesen und der großen alten Badewanne mit Klauenfüßen. Dank meines Bruders Jason hat es wenigstens eine etwas modernere Toilette. Dies war das Bad, das Amelia benutzte, weil es oben keins gab. Ich hatte ein eigenes, winzig kleines, das direkt an mein Schlafzimmer anschloss und in den fünfziger Jahren eingebaut worden war. Tja, in meinem Haus sind einige der maßgeblichen Einrichtungsstile der letzten Jahrzehnte auf engstem Raum versammelt.
»Findest du wirklich, dass es so schmutzig war?«, fragte ich und blieb in der Tür des Bads stehen. Ich sprach zu Amelias Hinterteil.
Sie hob den Kopf und strich sich mit einer Hand, die in einem Gummihandschuh steckte, das kurze Haar aus der Stirn.
»Nein, so schlimm war's nicht. Aber es soll großartig aussehen.«
»Mein Haus ist nun mal alt, Amelia. Ich glaube nicht, dass es irgendwie großartig aussehen kann.« Es gab keinen Grund, sich für das Alter oder den Zustand des Hauses oder der Möbel zu entschuldigen. Es war nun mal so, wie es war, und ich liebte es.
»Es ist ein wunderbares altes Haus, Sookie«, sagte Amelia scharf. »Aber ich habe noch einiges zu tun.«
»Okay«, erwiderte ich. »Ich gehe in die Kirche und bin ungefähr um halb eins zurück.«
»Könntest du nach der Kirche noch einkaufen gehen? Die Liste liegt auf der Küchenanrichte.«
Ich willigte ein, froh, etwas zu tun zu haben, womit ich dem Haus etwas länger fernbleiben konnte.
Der Morgen fühlte sich eher nach März an (das heißt, nach dem März im Süden) als nach Oktober. Und als ich bei der Methodistenkirche aus dem Auto stieg, hob ich den Kopf und genoss die leichte Brise. Es lag ein Hauch von Winter in der Luft, nur ein kleiner Vorgeschmack. Die Fenster der bescheidenen Kirche standen offen, und als wir gemeinsam ein Lied anstimmten, strömte unser Gesang hinaus auf den Rasen und zu den Bäumen. Ich sah dem Spiel vorüberwehender Blätter zu, während der Pastor predigte. Offen gestanden hörte ich der Predigt nicht immer zu. Manchmal war die Stunde in der Kirche einfach eine Zeit zum Nachdenken, eine Zeit, in der ich mich fragte, welche Richtung mein Leben nahm. Immerhin standen diese Gedanken dort in einem großen Zusammenhang. Doch wenn man nur zusah, wie die Blätter von den Bäumen
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