Ein Vampir für alle Fälle
panisch, wie man hätte meinen können. Bei Claudine hatte ich ja bereits bemerkt, wie häufig Elfen ihr Gegenüber berührten. Und weil ich von Elfen keine Bewusstseinsströme empfing, waren diese Berührungen auch erträglich. Von einem normalen Menschen wäre ich längst mit Gedanken bombardiert worden, denn die Berührung verstärkte meine telepathischen Fähigkeiten.
»Hatte Fintan noch irgendwelche anderen Kinder oder Enkel?«, fragte ich. Die Vorstellung, zu einer größeren Familie zu gehören, gefiel mir.
»Darüber reden wir später.« Mit einem Stoppschild hätte Niall die Frage nicht wirkungsvoller abwürgen können. »Da du mich jetzt ein wenig kennst«, fuhr er fort, »sag mir bitte, was ich für dich tun kann.«
»Warum solltest du irgendwas für mich tun?«, entgegnete ich. Die Sache mit den drei Wünschen hatten wir doch schon abgehakt. Davon wollte ich nicht wieder anfangen.
»Dein Leben ist bislang recht hart gewesen. Doch jetzt, da ich dich kennengelernt habe, möchte ich dir helfen.«
»Du hast mir doch schon Claudine geschickt. Sie war mir eine große Hilfe«, sagte ich. Ohne meinen sechsten Sinn bereitete es mir einige Mühe, den Gefühlen und Überlegungen meines Urgroßvaters zu folgen. Trauerte er um seinen Sohn? Wie war ihr Verhältnis zueinander wirklich gewesen? Hatte Fintan uns einen Gefallen tun wollen damit, dass er seinen Vater all die Jahre von den Stackhouses ferngehalten hatte? War Niall böse, oder hegte er böse Absichten gegen mich? Aber er hätte mir auch aus der Ferne etwas Schreckliches antun können, dazu musste er sich nicht erst mit mir treffen und mich zu einem teuren Abendessen einladen.
»Du willst mir keine weiteren Erklärungen geben, hm?«
Niall schüttelte den Kopf, und sein blondes Haar wehte ihm in feinsten goldenen und silbrigen Strähnen um die Schultern.
Plötzlich fiel mir etwas ein. »Könntest du meinen Freund finden?«, fragte ich hoffnungsvoll.
»Du hast noch einen anderen Freund? Außer dem Vampir?«
»Mit Eric bin ich nicht zusammen, ich hatte nur ein paarmal sein Blut und er meins und deshalb ...«
»Deshalb habe ich mich über ihn an dich gewandt. Du hast eine Verbindung zu ihm.«
»Ja.«
»Ich kenne Eric Northman schon sehr lange und dachte, wenn er dich bittet, würdest du kommen. War das ein Fehler?«
Diese Frage verwirrte mich. »Natürlich nicht. Ich wäre kaum gekommen, wenn er mir nicht versichert hätte, dass es okay ist. Und er hätte mich nicht hierhergebracht, wenn er dir nicht vertrauen würde ... Nehme ich jedenfalls an.«
»Möchtest du, dass ich ihn töte? Und damit die Verbindung beende.«
»Nein!«, rief ich, ziemlich aufgebracht. »Nein!«
Zum ersten Mal blickten einige der anderen Gäste zu uns herüber. Anscheinend hatten sie trotz Nialls magischem Zauberbann meine Aufregung bemerkt.
»Dieser andere Freund«, sagte Niall und aß noch ein Stück Lachs. »Wer ist das und wann ist er verschwunden?«
»Quinn ist ein Wertiger. Und seit dem Bombenanschlag in Rhodes scheint er wie vom Erdboden verschluckt. Er war verletzt worden, aber kurz danach habe ich ihn noch einmal gesehen.«
»Das von dem Hotel Pyramide habe ich gehört«, erwiderte Niall. »Warst du dort?«
Ich erzählte ihm, was geschehen war, und mein eben erst gefundener Urgroßvater hörte mir mit einem erfrischenden Mangel an vorschnellen Urteilen zu. Er war weder bestürzt noch entsetzt, und ich tat ihm auch nicht leid. Das gefiel mir richtig gut.
Ich redete und redete, und langsam sortierten sich meine Gefühle noch einmal neu. Und so sagte ich plötzlich in eine ganz normale Gesprächspause hinein: »Weißt du was? Such nicht nach Quinn. Er weiß, wo ich wohne, und meine Nummer kennt er auch. Er taucht vermutlich von selbst wieder auf, wenn er so weit ist. Oder eben nicht.«
»Aber so kann ich dir keinen Gefallen tun«, erwiderte mein Urgroßvater.
»Du kannst mich ja wieder mal zum Essen einladen«, sagte ich. »Irgendwas ergibt sich schon. Ist es verboten ... ich meine, darf ich über dich sprechen? Mit meinen Freunden?«, fragte ich. »Nein, vermutlich nicht.« Irgendwie konnte ich mir auch nicht vorstellen, meiner Freundin Tara zu erzählen, dass ich plötzlich einen Elf zum Urgroßvater hatte. Amelia hätte dafür sicher eher Verständnis.
»Ich möchte, dass unsere Verwandtschaft ein Geheimnis bleibt«, sagte Niall. »Ich bin so froh, dich endlich kennengelernt zu haben, und möchte noch viel mehr von dir wissen.« Er legte mir seine Hand an
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