Ein Vampir für alle Fälle
ein Elf. Und Vampire drehen doch eigentlich durch bei Elfengeruch.«
Die meisten Vampire verloren all ihre Selbstbeherrschung, wenn Elfen in der Nähe waren. Nur höchst disziplinierte Vampire konnten sich dann noch benehmen. Mein Schutzengel Claudine hatte geradezu Panik davor, mit den Blutsaugern auch nur in einem Raum zu sein.
»Ich kann meinen Geruch unterdrücken«, sagte Niall. »Die Vampire können mich zwar sehen, aber meinen Geruch nicht wahrnehmen. Ein ganz nützlicher Zauber. Und wie du hier siehst, kann ich dafür sorgen, dass die Menschen mich nicht einmal bemerken.«
Die Art, wie er das aussprach, ließ erkennen, dass er nicht nur sehr alt und sehr machtvoll war, sondern auch sehr stolz. »Hast du mir Claudine geschickt?«, fragte ich.
»Ja. Ich hoffe, sie war dir eine Hilfe. Nur Menschen mit Elfenblut können so eine Verbindung zu einer Elfe haben. Ich wusste, dass du sie brauchen würdest.«
»Oh ja, sie hat mir das Leben gerettet«, sagte ich. »Sie ist wundervoll.« Claudine war sogar schon mit mir shoppen gegangen. »Sind alle Elfen so nett wie Claudine oder so schön wie ihr Bruder Claude?«
Claude, der gelegentlich noch als Stripper arbeitete, inzwischen jedoch einen eigenen Club besaß, war so gut aussehend, wie ein Mann nur sein konnte - aber in jeder anderen Hinsicht leider ein unerträglich eitler Mistkerl.
»Meine Liebe«, entgegnete Niall, »wir Elfen erscheinen den Menschen alle als wunderschön, aber einige von uns sind wahre Scheusale.«
Okay, jetzt kam also die Kehrseite. Ich hatte stark den Eindruck, die gute Nachricht - zumindest aus Nialls Sicht - war, dass ich einen vollblütigen Elf zum Urgroßvater hatte. Doch das schien nur die halbe Wahrheit zu sein. Jetzt kam die schlechte Nachricht.
»Du hast lange Jahre leben können, ohne entdeckt zu werden«, sagte Niall, »und das zum Teil, weil Fintan es so wollte.«
»Hat er mich beschützt?« Ich empfand beinahe so etwas wie Zuneigung, als ich das hörte.
»Mein Sohn hat bereut, dass er zwei Kinder zu demselben Dasein verdammt hatte, unter dem er selbst schon so leiden musste - als Elf, der nicht wirklich Elf war und weder hier noch dort richtig dazugehörte. Ich fürchte, die Angehörigen unseres Volkes waren nicht sehr freundlich zu ihm.« Mit ruhigem Blick sah mein Urgroßvater mich an. »Ich habe mein Bestes getan, um ihn zu schützen, aber es hat nicht gereicht. Und Fintan fand heraus, dass er auch nicht Mensch genug war, um als Mensch zu gelten, jedenfalls nicht allzu lange.«
»Seht ihr Elfen denn normalerweise nicht so aus?«, fragte ich, neugierig geworden.
»Nein.« Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich ein fast blendendes Licht, und Niall inmitten davon, schön und absolut perfekt. Kein Wunder, dass Einin ihn für einen Engel gehalten hatte.
»Claudine hat mal gesagt, dass sie sich hinaufarbeiten will«, sagte ich. »Was bedeutet das?« Ich sprang in diesem Gespräch von einem Punkt zum anderen. All die Informationen hatten mich völlig aus dem Konzept gebracht, und es kostete mich allergrößte Mühe, das emotionale Gleichgewicht zu wahren. Sehr erfolgreich kam ich mir dabei nicht vor.
»Das hätte sie dir nicht erzählen dürfen«, sagte Niall und überlegte ein, zwei Sekunden lang, ehe er fortfuhr. »Gestaltwandler sind Menschen mit einer genetischen Veränderung, Vampire sind tote Menschen, die eine andere Existenzform angenommen haben, aber Elfen teilen außer der äußeren Hülle nichts mit dem Menschen. Es gibt viele Arten Elfen - von den grotesken wie den Kobolden bis hin zu den schönen wie uns.« Letzteres sagte er vollkommen unbefangen.
»Gibt es auch Engel?«
»Engel sind eine höhere Entwicklungsstufe der Elfen, für die man körperlich und moralisch eine beinahe vollständige Wandlung durchmachen muss. Es kann Hunderte von Jahren dauern, bis man ein Engel wird.«
Arme Claudine.
»Aber genug davon«, sagte Niall. »Jetzt will ich etwas über dich erfahren. Mein Sohn hat mich von deinem Vater und deiner Tante ferngehalten und auch von ihren Kindern. Und weil Fintan erst vor Kurzem gestorben ist, konnte ich deine Cousine Hadley nicht mehr kennenlernen. Aber mit dir kann ich mich treffen, dich berühren.« Was Niall übrigens in einer nicht wirklich menschlich zu nennenden Weise auch tat: Wenn seine Hand nicht meine bedeckte, so legte er sie mir flach an die Schulter oder auf den Rücken. Nicht ganz das Verhalten, das Menschen normal finden, aber es machte mir nichts aus. Ich wurde auch nicht
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