Ein Vampir für gewisse Stunden: Argeneau Vampir 6
metallen schmeckende Flüssigkeit ergoss sich über ihre Zähne und die Zunge und lief ihr in den Rachen. Sie hatte die Wahl, das Blut zu schlucken oder daran zu ersticken. Sie schluckte es.
Trockenes Gras raschelte, und tote Zweige knackten unter den Stiefeln von Lucian Argeneau, als er sich dem Van näherte, der am Rand des Grundstücks inmitten der Bäume geparkt war. Zwei Männer standen im Grau der einsetzenden Morgendämmerung an der offenen Hecktür des Wagens, wählten Waffen aus und überprüften sie auf ihre Funktionstüchtigkeit. So wie er selbst waren sie beide in Schwarz gekleidet, über eins achtzig groß und muskulös. Das Haar trugen sie kurz geschnitten, einer der beiden war blond, der andere brünett.
„Alles bereit?”, fragte er und fuhr sich durchs kurze weißblonde Haar.
„Bereit”, erwiderte Bricker - der Brünette - ruhig, beugte sich in den Van und nahm zwei Benzinkanister heraus. „Wie sollen wir vorgehen?”
Lucian zuckte mit den Schultern, da er sich für die vor ihnen liegende Aufgabe nicht begeistern konnte. Über die Jahre hinweg hatte er so etwas schon sehr oft gemacht, sodass es für ihn kaum noch eine Herausforderung darstellte. Für ihn war es interessanter, neue Nester aufzuspüren, weniger sie auszuheben, aber selbst das hatte viel von seinem Reiz verloren.
Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass sie es auf Morgan abgesehen hatten. Er war der beste Freund von Lucians Zwillingsbruder Jean Claude gewesen, bis der andere Mann vor einigen Jahren gestorben war. Die beiden waren jahrhundertelang durch dick und dünn gegangen, und deswegen hatte Lucian ihn ebenfalls als einen Freund angesehen. Sogar als einen so guten Freund, dass Lucian die ersten Gerüchte ignorierte, als man sich erzählte, Morgan sei zu einem Abtrünnigen geworden. So etwas konnte einfach nicht stimmen. Doch die Gerüchte hielten sich beharrlich, und er musste sich mit der Angelegenheit beschäftigen, wenn auch nur mit wenig Enthusiasmus. Und nun stand er hier, die Gerüchte hatten sich als wahr erwiesen, was für Morgan das Todesurteil bedeutete.
„Jetzt geht die Sonne auf.”, murmelte Mortimer und wiederholte Brickers Frage: „Wie sollen wir vorgehen?”
Lucian verbannte seine Überlegungen in einen abgeschiedenen Winkel seines Hinterkopfs und betrachtete die ersten Sonnenstrahlen, die im Begriff waren, die Nacht zu verdrängen. Dies war der beste Moment, um zuzuschlagen. Alle würden sie inzwischen ins Nest zurückgekehrt sein und sich darauf einrichten, den helllichten Tag zu verschlafen.
Weil Vampire natürlich nicht am Tag unterwegs sind, dachte er ironisch, während sein Blick die umstehenden Bäume erfasste und dann zu dem baufälligen Haus glitt, in dem sich Morgan mit dem von ihm zusammengesammelten Rudel Abtrünniger versteckt hielt. Im einsetzenden Tageslicht sah das Gebäude übel aus, aber er wusste, am Tag vermittelte es einen noch schlimmeren Eindruck. Dann brannte die Sonne unerbittlich auf die abblätternde Farbe, die vernagelten Fenster und den von Unkraut überwucherten Rasen.
Es erstaunte ihn immer wieder, auf welches Dasein sich die Abtrünnigen einließen. Man konnte fast meinen, wenn ihr Geist erst einmal gebrochen war und sie beschlossen, die Geißel der Erde zu sein, dann glaubten sie auch, dass ein Leben in normallen, zivilisierten Häusern für sie nicht mehr infrage kam. Oder aber sie wollten einfach nur den Erwartungen entsprechen, die die Sterblichen mit ihnen verbanden, da sie hofften, neue Mitglieder zu ihren Rudeln zu locken und die vorhandenen Mitglieder weiterhin zu versklaven. Schließlich durfte man eins nicht vergessen.
Wenn die Sterblichen gewusst hätten, über wie wenig magische Fähigkeiten die Unsterblichen in Wahrheit verfügten, dann wäre die Verlockung vielleicht nicht so groß gewesen, einer von ihnen zu werden oder ihnen zumindest zu dienen.
Er wischte diese zynischen Gedanken beiseite, sah die beiden Männer an und antwortete endlich auf deren Frage: „So wie immer.”
Mortimer nickte, schloss die Wagentür und nahm Bricker den größeren Benzinkanister ab. Dann Mortimer nickte, schloss die Wagentür und nahm Bricker den größeren Benzinkanister ab. Dann gingen sie alle drei bis zum Waldrand. Dort blieben sie stehen und musterten einmal mehr die Fenster. Es gab keinen Hinweis auf irgendwelches Leben im Gebäude, aber da die Hälfte aller Fenster mit Brettern vernagelt worden war, musste das nicht unbedingt etwas bedeuten.
„Geben wir
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