Ein Vampir für jede Jahreszeit
konnten. Sie hatten sich als Team um die Mahlzeiten gekümmert und sogar den Abwasch erledigt. Sie fand es fast ein bisschen unheimlich, wie gut sie miteinander harmonierten, beinahe so, als würden sie sich schon seit Hunderten von Jahren kennen.
»Wärest du denn ernsthaft interessiert?«, fragte er nach.
Katricia nickte.
Zögernd erklärte er: »Der Job wäre aber nicht mal halb so aufregend wie die Jagd auf Abtrünnige.«
Katricia lächelte ironisch. Als Abtrünnige wurden gesetzesbrecherische Unsterbliche bezeichnet. Meist handelte es sich dabei um ältere Wesen, die keinen Lebensgefährten gefunden hatten und darum des Lebens überdrüssig geworden waren. Für sie war es eine Möglichkeit, ihre unsterbliche Existenz zu beenden – quasi Selbstmord durch die Hand des Vollstreckers. Zumindest lautete Katricias Theorie so. In gewisser Weise konnte sie diese Motive nachvollziehen, zumindest die Lebensmüdigkeit. Seit etwa einhundert Jahren ging es ihr ähnlich, aber dank Teddy hatte sich das nun geändert. Warum die Abtrünnigen dabei allerdings anderen Schaden zufügen mussten und insbesondere Sterbliche mit Freude leiden ließen, das konnte sie nicht verstehen. Manchmal verwandelten sie Sterbliche gleich zu Dutzenden, quälten sie bis aufs Blut oder richteten andere schlimme Dinge an, die den Bezirk zu schnellem und hartem Durchgreifen zwangen. Bei Verbrechen gegen Sterbliche reagierten die Behörden immer besonders schnell. Zwar hatten Sterbliche keinen höheren Status als Unsterbliche, aber Attacken auf Sterbliche riefen schnell andere Sterbliche auf den Plan. Und das Schlimmste, was ein Unsterblicher tun konnte, war, die Aufmerksamkeit der Sterblichen zu erregen und auf seinesgleichen zu lenken.
Seit Jahrtausenden bemühte sich ihr Volk, seine Existenz zu verschleiern. Die Welt war einfach nicht bereit für das Wissen, dass zwar der verfluchte, seelenlose Vampir der Gruselgeschichten nicht existierte, eine andere Form dieser sagenhaften Kreatur aber schon. Wesen, vollgepumpt mit biochemisch manipulierten Nanos, die dafür sorgten, dass der Unsterbliche nicht alterte und immer auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit blieb. Diese Nanos benötigten Blut, um Energie zu erzeugen und sich zu vermehren, aber auch, um Krankheiten zu bekämpfen, Verletzungen zu heilen oder die Folgen von Sonneneinstrahlung, Umweltverschmutzung oder dem generellen Alterungsprozess auszugleichen. Die unsterblichen Körper ihrer Wirte konnten allerdings unmöglich so viel Blut liefern, wie die Nanos für diese Aktivitäten benötigten. Darum war es unerlässlich, zusätzliches Blut von außen zuzuführen, was in der ursprünglichen Heimat ihres Volkes kein Problem dargestellt hatte – denn dank Blutspenden war die Versorgung gesichert. Doch eines Tages wurde dieses Zuhause – das sagenhafte, vollkommen isoliert liegende Atlantis, das ebenso technisch fortgeschritten gewesen war, wie die Legenden es besagen – vernichtet. Darum sah sich ihr Volk gezwungen, zu fliehen und sich über den Rest der Welt zu verteilen, einer Welt, in der es weder fortgeschrittene Wissenschaften noch Bluttransfusionen, noch Nanopartikel gab.
Da die Nanos darauf programmiert waren, ihre Wirtskörper in optimalem Zustand zu erhalten, hatten sie zu diesem Zweck einige evolutionäre Veränderungen bei ihren Trägern ausgelöst: verlängerte Fangzähne, zusätzliche Körperkraft und Geschwindigkeit und ausgeprägte Nachtsicht. Dies alles machte ihre Wirte zu perfekten Raubtieren, die ihr Überleben problemlos sichern konnten – und der Rest der Welt war ihre Beute.
Auch wenn es die Sterblichen nur ungern so sahen – im Grunde waren sie für Katricia und ihresgleichen lediglich Nutzvieh. Zumindest war es über Tausende von Jahren so gewesen, bis die Einführung von Blutbanken es überflüssig machte, sich direkt von den Lebenden zu ernähren.
»Glaub mir, die Jagd auf Abtrünnige ist nicht einmal halb so aufregend, wie es scheint«, versicherte Katricia.
Teddy nahm eine Karte auf, ordnete sie in seine Hand ein und legte dann eine andere ab.
»Die meiste Zeit sitzt man herum und wartet, recherchiert und überprüft Datenbanken. Dann kommt ein schneller, sauberer Zugriff – und das war’s. Das kann ganz schnell langweilig werden.«
»Trotzdem ist es wahrscheinlich immer noch spannender als der Job eines Kleinstadtpolizisten«, erklärte Teddy, der seine Runde beendet hatte. »Ich schreibe hauptsächlich Strafzettel, verhafte Ladendiebe, und ab und
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