Ein Vampir kommt selten allein
schlimmer, als wenn Olivia gar nicht auftauchen würde?, dachte sie. Wenn Lucy die Rolle bekommen und Zeit mit Jackson verbringen würde, konnte sie vielleicht auch ein für allemal klären, ob er ein Vampir war.
»Jackson weià nicht, dass wir Zwillinge sind, zumindest glaube ich das nicht. Ich habe es ihm nie gesagt. Und du konntest damit schon mal alle täuschen.« Olivias Stimme wurde noch leiser. »Bitte.«
»Okay, ich mache es.« Lucy fühlte Panik in sich aufsteigen, als sie das sagte, doch sie wusste, dass ihre Schwester schlieÃlich dasselbe für sie tun würde.
Olivia jubelte so laut ins Telefon, dass Lucy es ein Stück weghalten musste. Als sie es sich wieder ans Ohr hielt, sagte Olivia gerade: »Okay, dann mach dich mal zum Häschen. Ich verlasse jetzt das Einkaufszentrum und bin da, sobald es nur irgend geht. Du bist einfach toll, Schwesterchen.«
»Du auch.« Doch Lucy fühlte sich, als würde ein Grabstein auf ihren Schultern lasten. Wie sollte sie in der nächsten halben Stunde Camilla finden, ihren Text auswendig lernen, sich rosa anziehen und dann auch noch einen total neurotischen Regisseur und einen Teenie-Star beeindrucken?
Dafür bräuchte man übernatürliche Kräfte â und die hatte sie nicht!
Ich tue einfach mein Bestes und lasse Olivia nicht im Stich, beschloss Lucy.
Zehn Minuten später rief ihr Camilla Textzeilen eines kitschigen romantischen Dialogs zu, während sich Lucy d en schwarzen Kajalstift mit Make-up-Entferner abwischte. Sophia stand drauÃen und hielt Wache. Sie hatten beschlossen, sich zuerst in den Make-up-Wohnwagen zu schleichen, denn sie konnte ja wohl kaum ihr Mia-Kostüm holen, wenn sie aussah wie ein Grufti. Denn dann würde niemand glauben, dass sie Olivia war.
»Ich öffne sie für dich«, sagte Camilla mit einer Stimme, die Lucy an den Riesen aus Rübezahl erinnerte.
Was nicht gerade zu ihrer Konzentration beitrug. »Ãhm.« Lucy fiel der genaue Wortlaut nicht mehr ein. »Bla, bla, bla Baströckchen?« Sie wischte sich das Gesicht mit einem Handtuch ab und kramte in den Bräunungssprays herum, die in der Schachtel vor ihr lagen.
»Lucy!« Camilla schlug ihr mit dem Drehbuch auf den Arm. »Es heiÃt: Vielleicht solltest du ein Baströckchen tragen. Olivia konnte das schon in den ersten fünf Minuten in- und auswendig.«
»Tut mir leid«, sagte Lucy und entschied sich für das Santa-Monica-Spray, das Spencer am Tag zuvor benutzt hatte. »Ich bin nicht gemacht für diese Schauspielerei. Aber weil Olivia eindeutig dafür begabt ist, muss ich es wenigstens versuchen.«
Camilla seufzte. »Okay. Hier ist der Plan: Wenn du beim Vorsprechen Text vergisst, musst du es eben mit Impro probieren.«
»Was ist das?« Lucy hatte sich das Gesicht mit Sprühbräune eingenebelt und wedelte vor ihren Wangen herum, damit sie schneller trocknete.
»Improvisation. Sei spontan. In all diesen Gerry-Spellman-Filmen werden die Schauspieler mit ihren auÃerirdischen Charakteren eins und sprechen so flieÃend Fragmala, dass sie die Dialoge beim Spielen einfach erfinden. Auf diese Weise wirkt es authentischer.«
Camilla kennt sich wirklich aus mit ihrem AuÃerirdischen-Kram, dachte Lucy.
»Okay, Impro. Schon kapiert.« Sie öffnete Spencers Lidschatten-Schachtel und schnappte nach Luft. Wie sollte sie da etwas aussuchen? Sie würde einfach raten müssen, wonach Mia greifen würde â beziehungsweise Olivia . Sie schnappte sich einen Pinsel und griff nach den hellen Violetttönen.
Die Tür wurde aufgerissen, und die beiden Mädchen fuhren zusammen.
Erwischt, dachte Lucy.
»Nein, nein, nein!«, sagte Spencer.
Sophia war direkt hinter ihm und formte »Tut mir leid!« mit den Lippen.
»Bitte verzeih mir, Spencer«, sagte Lucy, als der Make-up-Künstler auf sie zugestürmt kam. Camilla flitzte schutzsuchend auf die andere Seite des Stuhles. »Ich habe in fünfzehn Minuten ein Vorsprechen â¦Â«
»Und genau deshalb solltest du das nicht allein machen!« Spencer nahm Lucy den Pinsel aus der Hand und schleuderte ihn durch den Raum. »Nicht violett, Kleines. Auf keinen Fall. Dein Make-up musst du schon einem Profi überlassen.«
Lucy lächelte. Er würde sie nicht hinauswerfen â er würde ihr helfen. »Sie sind ein Engel«, verkündete Lucy.
»Ich hatte gehört,
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