Ein Vampir zum Vernaschen: Argeneau Vampir 3
jeder Kategorie geht, und Sie können eine Art allgemeine Antwort dazu verfassen, während ich die restlichen Briefe sortiere.”
Lucern nickte zustimmend, verschränkte die Arme und wartete.
„Möchten Sie nicht einen Stift und Papier oder so etwas holen?”, fragte sie nach einem Augenblick. „Damit sie keine der Kategorien vergessen? Es sind mindestens zwanzig verschiedene und.... ”
„Ich habe ein hervorragendes Gedächtnis”, verkündete Lucern. „Fahren Sie fort.”
Kate drehte sich langsam im Kreis und versuchte zu entscheiden, wo sie anfangen sollte. „Guter Gott, er klingt wie dieser kahlköpfige Bursche in Der König und ich”, hörte er sie murmeln.
Lucern wusste, dass dies nicht für seine Ohren bestimmt war, aber sein Gehör war nun einmal spektakulär. Es gefiel ihm recht gut, dass sie so gereizt war, also warf er lässig ein: „Sie sprechen von Yul Brynner.”
Sie fuhr zu ihm herum und starrte ihn erschrocken an. „Er spielte den König von Siam, und zwar ganz hervorragend.”
Kate zögerte, dann kam sie offenbar zu dem Schluss, dass er nicht verärgert war, entspannte sich ein wenig, und es gelang ihr sogar zu lächeln. „Das ist einer meiner Lieblingsfilme.”
„Oh, ist es auch verfilmt worden?”, fragte er interessiert. „Ich habe die Bühnenpremiere gesehen.”
Als sie ihn zweifelnd ansah, wurde ihm klar, dass er gerade zugegeben hatte, die Rodgers-and-Hammerstein-Broadway-Aufführung gesehen zu haben wenn er sich recht erinnerte, hatte die Premiere 1951 stattgefunden, was einen Hinweis auf sein Alter gab. Da er aussah wie Mitte dreißig, war es kein Wunder, dass sie verblüfft wirkte. Er räusperte sich und fügte hinzu:
„Selbstverständlich die Wiederaufnahme. Das war 1977, glaube ich.”
Sie zog die Brauen hoch. „Sie können nicht älter als.... was? Sieben, acht gewesen sein?”
Lucern wollte nicht lügen und grunzte nur. Dann wiederholte er: „Ich habe ein hervorragendes Gedächtnis.”
„Ja. Selbstverständlich haben sie das.” Kate seufzte und griff nach einem Brief. Sie las laut vor: .„Lieber Mr. Argeneau, ich habe Verhebt in einen Vampir gelesen, und es hat mir wunderbar gefallen. Ich muss Ihnen gestehen, es gehört zu meinen absoluten Lieblingsbüchern. Und Sie sind wirklich außerordentlich begabt.
Die mittelalterliche Atmosphäre war so fassbar und realistisch, dass man beinahe glauben könnte, Sie wären selbst dabei gewesen.’” Kate hielt inne und blickte auf. „Alle Briefe in diesem Stapel verfolgen eine ähnliche Linie, loben Sie für ihren realistischen Stil und die Tatsache, dass Ihre Bücher sich lesen, als wären Sie dabei gewesen.”
Als Lucern nur nickte, runzelte sie die Stirn. „Nun?”
„Nun was?”, fragte er überrascht. „Die Leserin hat recht.”
„Die Leserin hat recht?” Sie sah ihn mit aufgerissenen Augen an. „Das werden Sie schreiben? ,Liebe Leserin, Sie haben recht?’”
Lucern zuckte die Achseln und fragte sich, wieso sie sich so aufregte. Die Leserin hatte tatsächlich recht. Seine Bücher lasen sich, als wäre er im Mittelalter dabei gewesen. Und zwar, weil genau das der Fall war. Nicht zu der Zeit, als seine Eltern sich kennenlernten, aber nicht allzu lange danach und in jenen Tagen hatten sich die Dinge so langsam verändert, dass das kaum einen Unterschied machte.
Er sah, wie seine Lektorin den Brief wieder auf den Stapel warf und sich einem anderen zuwandte. Die ganze Zeit murmelte sie vor sich hin, was für ein arroganter Mistkerl er sei, und fügte noch weitere, nicht sonderlich schmeichelhafte Attribute hinzu.
„Unsensibel” und „absolut unausstehlich” waren nur zwei davon. Lucern wusste, dass er das alles selbstverständlich nicht hören sollte.
Er war nicht beleidigt. Er war sechshundert Jahre alt. Über einen so langen Zeitraum gewann ein Mann ein gewisses Selbstvertrauen. Lucern nahm an, dass sein Verhalten den meisten Leuten tatsächlich arrogant vorkommen musste, vielleicht vergleichbar dem eines Mistkerls. Unsensibel war er ohne Zweifel, und er wusste, dass er im Umgang mit Menschen ein wenig eingerostet war. Etienne und Bastien hatten sich mit diesen Dingen immer besser zurechtgefunden. Wie auch immer, nach Jahren eines Lebens als Einsiedler und Autor hatte er eindeutig Mängel, und das wusste er.
Er sah allerdings keinen triftigen Grund, daran etwas zu ändern. Er befand sich in einem Stadium des Lebens, in dem es ihm nur noch lästig vorkam, jemanden beeindrucken zu müssen.
Er
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