Ein verführerischer Pakt
geradewegs gegen den alten Butler. Beide verloren das Gleichgewicht und gingen zu Boden, doch ehe Lily wieder auf die Beine kommen konnte, packte sie eine große Hand.
"Halten Sie still!" Duquesne beugte sich wie der Leibhaftige wütend über sie. Sein dunkelblondes Haar fiel ihm in die Stirn und der durchbohrende Blick aus stahlgrauen Augen warnte sie, jetzt bloß nichts Falsches zu tun.
Lily schreckte zurück. Sein Griff wurde zwar etwas lockerer, aber er ließ sie nicht los, als er seine Aufmerksamkeit auf den alten Diener richtete.
"Bodkins, alles in Ordnung? Lassen Sie sich Zeit mit dem Aufstehen. Ist auch nichts gebrochen?" Er sprach sehr laut, und doch schwang unüberhörbar liebevolle Anteilnahme in seiner Stimme mit.
Erstaunt beobachtete sie, wie er mit seinem Butler umging. Er forderte ihn auf, sich vorsichtig zu vergewissern, ob auch alle Knochen heil waren, dann half er dem alten Mann fürsorglich beim Aufstehen. Lily zog er mit der anderen Hand weniger sanft zu sich empor.
"Nichts passiert, Mylord", sagte Bodkins, während er gleichzeitig Lily stirnrunzelnd ansah.
"Gott sei Dank", erwiderte Duquesne erleichtert. Wieder sprach er sehr laut, doch ohne jeden ärgerlichen Unterton. "Trotzdem, ich glaube, Sie sollten sich jetzt lieber hinlegen. Stützen Sie sich auf mich, ich bringe Sie in Ihr Zimmer."
Der Butler straffte sich und trat einen Schritt zurück. Er reckte das Kinn vor und ordnete den Sitz seiner Weste. Sein Blick fiel erneut auf Lily. "Ich werde die Nachtwache übernehmen", sagte er.
"Das ist nicht nötig", versicherte Duquesne. "Ins Bett mit Ihnen, das ist ein Befehl!" Seine Stimme hallte in dem hohen Flur wider.
"Wie Sie wünschen, Mylord." Der Diener sah Lily ein letztes Mal drohend an und verzog sich dann, missmutig vor sich hin murmelnd.
Duquesne zerrte Lily zurück in sein Arbeitszimmer, hin zu einem der hochlehnigen Ledersessel. "Setzen Sie sich", befahl er knapp und ließ ihr Handgelenk los.
Wie grimmig er aussah. Und wie unglaublich attraktiv – ein großer, breitschultriger Mann mit markanten, klassischen Gesichtszügen und einer ungeheuer selbstbewussten Ausstrahlung.
Das war das Erste gewesen, was ihr an ihm aufgefallen war, sein unverschämt gutes Aussehen. Sie hatte schon vorher einige außergewöhnlich schöne Männer kennen gelernt, allesamt Schurken. Clive, zum Beispiel, sah exzellent aus, ihr Ehemann Jonathan hingegen nicht. Daraus ließ sich schließen, dass ein anziehendes Äußeres noch lange nicht dazu berechtigte, sich auf den betreffenden Mann auch verlassen zu können. Die Anteilnahme, die Duquesne für seinen Butler gezeigt hatte, konnte er für sie offensichtlich nicht erübrigen.
Er richtete sich nun zu seiner vollen, nicht unbeträchtlichen Größe vor ihr auf und stemmte die Hände in die Hüften. "Entweder Sie geben jetzt eine vernünftige Erklärung ab, oder ich schleppe Sie geradewegs vor den Friedensrichter. Dann kann er vielleicht feststellen, warum Sie sich mit falschen Referenzen um eine Stelle beworben haben."
Ihr fiel keine Lüge ein, die besser als die Wahrheit geeignet gewesen wäre, ihm ein Hilfsangebot zu entlocken. Anfänglich hatte sie überlegt, ihm ganz einfach zu erklären, in welcher Situation sie sich befand, und ihn dann um Beistand zu bitten. Hätte sie das doch bloß getan, dann wären ihre Aussichten sicher besser gewesen. Jetzt hatte sie keine andere Wahl, sie musste offen sein.
Ihr einziger Wunsch war es doch nur gewesen, so schnell wie möglich nach Hause zurückzukehren und sich zu vergewissern, dass ihr Sohn in Sicherheit war. Da sie bereits verkleidet gewesen war – und weder die Männer im Krankenhaus noch der Droschkenkutscher oder Bodkins hatten sie durchschaut –, ging sie davon aus, die Rolle von Brinks erfolgreich weiterspielen zu können. Nur hatte sie nicht mit dem unbestechlichen Blick von Lord Duquesne gerechnet.
Aber sie hatte beschlossen, sich nicht einem Mann anzuvertrauen, über den sie nichts weiter wusste, abgesehen von einer flüchtigen Begegnung, als sie noch ein Kind gewesen war, und den Gerüchten, die über ihn im Umlauf waren. Natürlich war Lily bekannt, dass Edgefield, eines der Anwesen seines Vaters, an das ihres Sohnes angrenzte. Sie hatte auch gehört, dass Duquesnes Vater, der Earl, sich dorthin zurückgezogen hatte, während der Viscount selbst schon vor Jahren beschlossen hatte, dauerhaft in London zu leben.
Wenn Brinks nicht seinen Namen erwähnt hätte, wäre ihr wohl nie eingefallen,
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