Ein verführerischer Schuft
erreichte, nahm er die Hand, die sie ihm lächelnd bot, hob sie an seine Lippen und hauchte einen Kuss auf die Finger; dann drehte er ihre Hand um und küsste die Handfläche.
Erstaunt schaute sie ihn an.
»Ist alles in Ordnung?«
Er zögerte, dann nickte er.
»Völlig.«
Das war natürlich gelogen, aber er wollte nicht, dass sie Fragen stellte, die er nicht beantworten konnte.
Er legte sich ihre Hand auf den Ärmel und tat so, als sähe er sich im Saale um, betrachtete die anderen Gäste. Mit dem Tanzen war noch nicht begonnen worden.
»Hat irgendjemand sich dir oder Adriana gegenüber seltsam benommen? Hier oder im Park?«
Sie blickte ihn an.
»Nein.« Nach einem Augenblick fuhr sie mit gesenkter Stimme fort:
»Rechnest du mit Gerüchten wegen meiner Festnahme durch die Stadtwache?«
»Es wäre möglich. Jedenfalls möchte ich es unbedingt wissen, wenn welche aufkommen.«
Er konnte fast fühlen, dass sie ihn nachdenklich ansah. Er hob fragend eine Braue.
Sie blickte ihn fest an:
»Was hast du getan? Sag es mir.«
Er erwog, ihr mitzuteilen, dass er keiner ihrer Brüder war, aber er war sich ziemlich sicher, dass das ihre Befragung nicht beenden würde.
»Ich habe Tante Félicité und ihre engsten Freundinnen gebeten, die Ohren offenzuhalten. Ich habe ihr die wesentlichsten Fakten der gestrigen Ereignisse erzählt - sie und ein paar andere Grandes Dames , die zufällig anwesend waren, waren entsetzt und angemessen empört.« Er drückte ihr die Hand, ehe sie protestieren konnte.
»Das hier ist etwas, das unter anderen Umständen auch ihnen zustoßen könnte. Daher haben sie ein berechtigtes Interesse, sicherzustellen, dass die Gepflogenheiten der guten Gesellschaft nicht für staatsfeindliche Zwecke missbraucht werden.«
Alicia runzelte die Stirn, dann nickte sie, musste ihm beipflichten.
»Ich werde dir sagen, wenn Adriana oder ich auf Schwierigkeiten stoßen.«
Sie fuhr fort, sein Gesicht zu betrachten; er wirkte irgendwie angespannter als sonst, beinahe gereizt.
»Was hast du heute sonst noch getrieben?«
Er machte eine Pause, überlegte - für ihr nun geschultes Auge erkennbar - nicht, ob er es sagen, sondern wo er anfangen sollte.
»Ich habe die Information bezüglich der Schiffe an Jack Hendon weitergegeben.«
»Deinen Freund, der eine Schifffahrtsgesellschaft besitzt?«
»Ja. Jetzt, da er weiß, wonach er suchen muss, werden wir schneller vorankommen. Ich habe auch einen anderen Freund benachrichtigt, der entlang der südwestlichen Küste Nachforschungen anstellt. Mit ein wenig Glück werden wir bald schon eine genauere Vorstellung davon haben, was geschehen ist. Und dann können wir die Spur zu dem Verursacher zurückverfolgen.«
»A.C.«
Sie musste an die Ängste des vergangenen Tages denken und erschauerte. Sie spürte Tonys Blick auf ihrem Gesicht und sah ihn an.
»Er muss jemand sein, der gut unterrichtet ist, nicht wahr? Er wusste, wie man die ersten Gerüchte in Umlauf bringt und dann, wie man Bow Street dazu bringen konnte, mich zu verhaften.«
Er nickte, die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst.
»Er ist intelligent und kennt sich bestens aus. Zudem ist er kaltblütig.«
Er zögerte, dann fuhr er fort, strich mit den Fingern geistesabwesend über ihren Handrücken.
»Smiggins hat mir etwas berichtet. Der anonyme Hinweis scheint von einem Blumenmädchen zu stammen, das von einem vornehmen Gentleman - in teurer Kleidung - bezahlt wurde, die Nachricht der Wache zu überbringen. Genauer kann das Mädchen den Mann nicht beschreiben.«
Das Bild eines Gentlemans in einem teuren Mantel mit Persianerkragen, flüchtig durch einen dünnen Nebelschleier in einer kalten Nacht gesehen, kam Tony in den Sinn. Für ihn war A.C. kein Phantom, sondern ein gefährlicher Gegner - wenn auch ein bislang namenloser.
Was es ihm natürlich schwerer machte, Alicia vor der Gefahr zu schützen. Er ließ seinen Blick zu Adriana schweifen; durch ihre Verbindung mit Alicia war auch sie in Gefahr. Sechs Herren standen um sie herum; Sir Freddie Caudel gehörte wie gewohnt dazu. Gerade schien er Adriana irgendein Schauspiel zu beschreiben, und sie lauschte ihm höflich und interessiert - im Augenblick galt ihre ganze Aufmerksamkeit ihm. Tony überraschte es daher nicht wirklich, dass er Geoffrey nicht weit entfernt entdeckte; seine Haltung Adriana gegenüber hatte etwas eindeutig Besitzergreifendes.
Hinter ihm erklang ein leises Schnauben.
»Ich denke, wenn Lord Manningham all das ist, was
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