Ein verführerischer Schuft
Tanzfiguren; sie spürte seine Beine an ihren Oberschenkeln und musste immer nur an …
Sie schaute weg, räusperte sich. Bemühte sich verzweifelt, ihre Gedanken unter Kontrolle zu bekommen, eine Ablenkung zu finden …
»Was meinte er damit?« Sie hob den Kopf und fing seinen Blick auf.
»Harry Cynster - warum wünscht er mir einen ›guten Ritt‹? Er weiß ja gar nicht, ob ich überhaupt reiten kann.«
Einen Moment starrte Tony sie stumm an; sie konnte seine Miene nicht deuten.
»Er hat es wohl angenommen«, antwortete er schließlich. Sein Tonfall verriet nichts.
»Er selbst ist ein passionierter Reiter …« Er zuckte die Achseln.
»Vermutlich ist das alles, woran er denkt.«
Seine Lippen wurden schmal, als verkniffe er es sich, mehr zu sagen. Er blickte hoch, manövrierte sie zwischen den anderen hindurch; sie war auch nicht wirklich daran interessiert, der Sache weiter auf den Grund zu gehen - was auch immer sich dahinter verbarg.
Aber dadurch hatte sie nichts mehr, um ihre Gedanken zu beschäftigen - und ihre Sinne waren für seine Nähe mehr als empfänglich. Ihre Nerven flatterten, wann immer jemand sie anstieß; er zog sie beschützend an sich, in den sicheren Hafen seiner Arme. Einen Moment lang berührten sich ihre Hüften und Oberschenkel; bei jeder Bewegung wurde ihr heißer. Sie schaute zu ihm hoch und betete insgeheim, dass die Hitze nicht bis in ihre Wangen gestiegen war, fürchtete, dass es doch so war, dass ihre Augen ihre Gedanken widerspiegeln und ihr plötzliches und unerklärliches Verlangen verraten würden.
Ihre Blicke trafen sich; seine Augen schienen zu glühen - und zeigten, dass es ihm nicht besser als ihr erging.
Mit einem Mal war es, als wären sie das einzige Paar auf der Tanzfläche, allein im Saal. Sie glitten über das Parkett, völlig auf sich konzentriert. Leidenschaft umspülte sie, band sie aneinander.
Die Musik kam zu einem Ende. Es war schwierig, aufzuhören … sich voneinander zu lösen, auseinanderzutreten, obwohl sie beide wussten, dass es nicht anders ging. Es war noch schwerer, wieder in die Wirklichkeit zurückzufinden, sich die Gefühle, die in ihnen aufbrandeten, nicht anmerken zu lassen - und sie wussten schließlich beide, dass es dem anderen ebenso erging, dass sie sich beide leidenschaftlich begehrten.
Aber sie mussten ihre Rollen hier spielen, schlenderten nebeneinander durch den Saal und kehrten an die gewohnte Stelle in der Nähe von Adriana und ihrem Kreis von Bewunderern zurück.
Tony legte sich ihre Hand wieder auf den Arm, aber er wagte es nicht, sie mit seiner zu bedecken. Er wollte sie nahe bei sich haben, näher als sie jetzt war - solch unbefriedigender Haut-zu-Haut-Kontakt war da beinahe schmerzlich.
Er holte tief Luft, schaute sich um, ohne etwas zu sehen. Wie er das überleben sollte … Eines war sicher: keine Walzer mehr. Nicht, bis sie zu einer anderen Melodie in wesentlich ungestörterer Umgebung getanzt hatten.
Nicht, bis er sie nackt an sich gehalten hatte.
Danach … nahm er an - hoffte er verzweifelt - würde der Druck, der sich in ihm aufbaute und irgendwo tief in ihm wie ein Vulkan brodelte, aufhören und diese Gefühle, die er für den Moment als gegeben hinnahm, die er aber nicht näher betrachten wollte, nachlassen. Dass er am liebsten wütend die Zähne gefletscht hätte, als Harry Cynster in ihre Nähe kam, dass er nicht mit ihr tanzen konnte, ohne sich zu erinnern … ohne sich vorzustellen ….
Ohne den Wunsch zu verspüren, sich wie ein primitiver Höhlenmensch aufzuführen und sie sich über die Schulter zu werfen, sie wegzutragen …
Er musste aufhören, daran zu denken, oder er würde wahnsinnig werden.
Am Ende des Balles begleiteten er und Geoffrey die Schwestern in die Eingangshalle. Adriana gab Geoffrey die Hand; er beugte sich darüber, flüsterte etwas, was Tony nicht verstand, dann verabschiedete er sich von Alicia, die so abgelenkt war, dass sie diesen kleinen Zwischenfall überhaupt nicht mitbekommen hatte. Geoffrey nickte ihm kurz zu und ging.
Alicia drehte sich zu ihm um, hielt ihm die Hand hin.
»Danke für das Geleit.«
Er schaute sie an, nahm ihre Hand und hakte sie bei sich unter.
»Ich begleite dich nach Hause.«
Sie blinzelte verwundert, ließ sich aber von ihm näher ziehen.
»Das musst du nicht.«
Er sah ihr in die Augen, erklärte leise:
»Doch.«
Nach einer kleinen Pause schwoll ihm die Brust, und er schaute nach vorne.
»Abgesehen von allem anderen - du befindest dich unter
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