Ein verführerischer Schuft
Position einer Mätresse angesehen.«
»Ja … aber die Bücher sind voll mit Warnungen vor Herren ganz allgemein, ihrem Verhalten und …«
»Den von ihnen ausgehenden Gefahren?«
Um Alicias Lippen zuckte es; sie griff nach Adrianas Hand.
»Du hast, hoffe ich, nicht vor, mir zu erzählen, Tony Torrington sei nicht gefährlich.«
Adriana schnitt eine Grimasse.
»Nein. Aber …«
»Kein Aber.« Alicia sprach fest, dann erhob sie sich.
»Meiner Einschätzung nach wäre es höchst unklug von mir, mit Torrington in Zukunft allein zu sein.«
Adrianas Augen waren auf ihr Gesicht gerichtet, dann kniff sie sie zusammen.
»Hat er dich geküsst?«
Ihr Erröten verriet sie; sie erwiderte Adrianas Blick flüchtig.
»Ja.«
»Und?« Als sie nichts weiter sagte, hakte Adriana nach.
»Wie war es? Wie hat es sich angefühlt?«
Die Fragen brachten die Erinnerung zurück, wie es sich genau angefühlt hatte; Hitze breitete sich unter ihrer Haut aus, ihre Brustspitzen zogen sich zusammen. Ein Blick zeigte ihr, dass Adriana sich nicht würde abwimmeln oder mit Ausflüchten abspeisen lassen.
»Es war … angenehm. Aber«, fügte sie rasch hinzu, »solche Annehmlichkeiten zu genießen ist viel zu riskant.«
Sie konnte praktisch sehen, wie ihrer Schwester mehr und mehr Fragen einfielen.
»Jetzt ist es aber genug von mir.«
Sie griff auf ihren festesten Ton zurück.
»Ich plane, Torrington in Zukunft zu meiden. Aber was ist mit dir? Du bist der Grund, weshalb wir hier sind.«
Adriana sah sie an. Nach einem Moment erklärte sie:
»Ich mag Geoffrey. Er ist nett, lustig und …« Sie atmete tief ein und fuhr dann hastig fort:
»Ich denke, er könnte der Richtige sein.«
Das wurde mit beinahe schuldbewusster Miene gesagt. Alicia setzte sich wieder.
»Wenn du nur denkst , er könnte der Richtige sein, dann sollten wir uns vielleicht noch ein wenig umschauen, bis du dir sicher bist. Es sind noch drei Wochen bis zum Beginn der Saison, also hast du mehr als genug Zeit - es gibt keinen Grund für das Gefühl, du müsstest dich rasch entscheiden.«
»Stimmt.« Eine Falte erschien auf Adrianas Stirn.
»Ich möchte auf keinen Fall einen Fehler machen.«
Die Schwestern saßen nebeneinander und starrten beide blicklos vor sich hin, dann rührte Alicia sich.
»Vielleicht« - sie warf Adriana einen Blick zu - »hilft es bei der Entscheidungsfindung, wenn wir Mr. King zum Essen einladen.«
Adriana erwiderte ihren Blick, dann nickte sie.
»Ja.« Ihr Gesicht zeigte einen entschiedenen Ausdruck.
»Vielleicht sollten wir das.«
Alicia hielt den Kopf hoch, das Sonnenschirmchen in genau dem richtigen Winkel, während die schicke Kutsche, die sie in dem Mietstall geliehen hatte, ruhig über die Kieswege durch den Park rollte.
Der Morgen war schön; eine leichte Brise wehte durch die Zweige der Bäume, die kürzlich erst zu knospen begonnen hatten. Sie und Adriana hatten es bequem; auf dem Bock vor ihnen hockte der Kutscher, hinten stand ein Lakai, beide in Livreen in nüchternem Schwarz, allerdings mit leuchtend roten Bändern an den Hutkrempen. Letzteres war Adrianas Idee gewesen, etwas Schlichtes, das Exklusivität andeutete.
Solche Dinge waren wichtig, wenn man sich in der guten Gesellschaft bewegte.
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass Lady Jersey sich so um uns bemüht gezeigt hat.« Adriana wandte ihr Gesicht der Brise zu; ihre dunklen Locken tanzten um ihr herzförmiges Gesicht.
»Sie hat so einen schlimmen Ruf, aber ich fand, dass sie wirklich sehr nett war.«
»Allerdings.« Alicia hatte eine gute Vorstellung davon, was Lady Jersey zu so ausgesuchter Freundlichkeit verleitet hatte - und die anderen Gastgeberinnen von Almack’s, die während des Waverley-Balls einen Augenblick Zeit gefunden hatten, um bei ihnen stehen zu bleiben, um Adriana zu bewundern und ihnen beiden Glück zu wünschen. Sie vermutete stark, dass Lady Amery und deren liebe Freundin Lady Osbaldestone fleißig gewesen waren. Und sie wusste auch, auf wessen Bitte hin.
»Oh! Da ist Lady Cowper.« Adriana erwiderte das Winken Ihrer Ladyschaft.
Alicia beugte sich vor und gab dem Kutscher Anweisung, zu der Kutsche der Dame zu fahren, die auf dem Bankett stand, und neben ihr anzuhalten.
Emily, Lady Cowper, war freundlich und gutmütig; sie hatte von Beginn an Mrs. Carrington und Miss Pevensey mit offenen Armen aufgenommen.
»Ich bin ja so froh, dass ich Sie beide hier draußen treffe. Die Sonne ist so launisch dieser Tage, man wagt es gar nicht,
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