Ein verführerischer Schuft
Carrington, ich habe überlegt, ob Sie mir wohl gestatten würden, Miss Pevensey zu einem Rundgang durch den Wintergarten zu entführen. Er ist für den Abend geöffnet, und viele andere Gäste genießen dort die etwas kühlere Luft. Ich dachte, dass vielleicht Sie und« - Sir Freddies Blick von Mann zu Mann richtete sich auf Tony - »Lord Torrington uns begleiten wollen?«
Alicia lächelte gnädig.
»Ein Spaziergang durch den Wintergarten klingt nach einer ausgezeichneten Idee - es ist wirklich hier drinnen ziemlich stickig.« Sie nickte Adriana ermutigend zu, die lächelnd Sir Freddies Arm nahm.
»Sie gehen vor, wir folgen Ihnen.« Alicia schaute Tony an, während Adriana und Sir Freddie sich umdrehten.
»Wenn du Lust hast …?«
Er erwiderte ihren Blick, hob langsam eine Braue. Sie errötete zart und blickte weg.
Geoffrey und seinen mühsam unterdrückten Verdruss über die Entwicklung - was Tony mühelos erkennen konnte - nicht weiter beachtend, hielt er Alicias Hand fester unter seiner und führte sie hinter ihrer Schwester her.
Während sie den überfüllten Ballsaal durchquerten, plauderten sie über dies und das, aber sobald sie sich in dem lang gestreckten Wintergarten befanden, dessen Glastüren weit offen standen und in dem ein breiter Weg zum Umherwandeln geschaffen worden war, war ausreichend Raum, um zu fragen:
»Aus welcher Richtung weht der Wind in diesem Bereich?« Mit einem Kopfnicken deutete er auf Adriana, die sich angeregt mit Sir Freddie unterhielt.
Alicia machte eine unbestimmte Handbewegung.
»Es ist so, wie befürchtet. Dein Freund Manningham kauft allen anderen den Schneid ab. Allerdings ist es wohl wirklich so, wie es heißt: Die Pfade der Liebe sind wahrlich oft gewunden.«
»Ach? Was genau meinst du damit?«
»Adriana glaubt, sie sollte sich ihrer Gefühle sicher sein, ehe sie ihre Hand einem Herrn gewährt. Aber wie soll sie sich sicher sein, wenn sie nicht vorher das Terrain sondiert?«
»Ach so. Und ich nehme an, Geoffrey ist davon nicht sonderlich begeistert.«
»Richtig.«
Er sah sie an; ein eindeutig zufriedener Gesichtsausdruck lag auf ihren lieblichen Zügen.
»Es ist ja nur vernünftig, dass sich eine Frau ihrer Entscheidung sicher sein will, ehe sie sie verkündet, und wenn ein Gentleman damit Probleme hat, nun dann …«
Ihr Blick ruhte auf Adriana und Sir Freddie; Tony sagte sich, dass sie nicht von sich sprach. Ihr Gespräch wandte sich anderen Themen zu, aber als sie in den Ballsaal zurückkehrten, konnte er den Gedanken nicht ganz abschütteln.
Wenn sie dabei Hilfe brauchte, zu einem Entschluss zu kommen, so war er nur zu gerne dazu bereit - und willens -, sie zu leisten. Wie langsam konnte langsam schon sein?
Die Musiker hatten wieder zu spielen begonnen; Lord Montacute wartete schon darauf, Adriana zu einem Ländler auf die Tanzfläche zu führen. Sir Freddie bat Alicia darum, ihm die Ehre zu erweisen; zu Tonys Verärgerung gewährte sie ihm die Gunst.
Von ihr verlassen machte er sich auf die Suche nach dem Erfrischungsraum.
Geoffrey stöberte ihn dort auf. Er betrachtete das Glas in Tonys Hand und erkundigte sich:
»Jetzt sag nicht, auch sie hat dich deiner Wege geschickt.«
Tony schnaubte abfällig; durch den Bogen des Durchgangs beobachtete er die Tänzer.
»Nur für diesen Tanz.«
Er nahm einen Schluck, dann sagte er:
»Ich bin übrigens beiläufig darüber informiert worden, dass du getestet wirst.«
Jetzt war Geoffrey an der Reihe zu schnauben.
»So etwas habe ich mir schon gedacht.«
Schulter an Schulter stehend verfolgten sie, wie die Paare tanzten.
Geoffrey verlagerte sein Gewicht, hob sein Glas und trank. Er schaute zu Tony.
»Ich nehme nicht an, dass du in Erwägung ziehen würdest, ein Ablenkungsmanöver zu versuchen?«
Tony nahm den Blick nicht von Alicia, die durch die Figuren wirbelte.
»Die Löwin ablenken, damit du ihr Junges entführen kannst?«
Geoffrey erstickte sein Lachen, nickte.
»Exakt.«
Während er zusah, wie Alicia sich im Takt wiegte, dann sich anmutig unter Sir Freddies Arm drehte, fragte Tony:
»Was genau ist dein Interesse dabei?«
Geoffreys Tonfall - leicht gekränkt - gab eine deutlichere Antwort als seine Worte:
»Was denkst du denn?«
Tony nickte.
»Abgemacht.« Er stellte sein Glas ab.
»Aber ich mache den ersten Zug. Wenn sie ahnt, was du vorhast, werde ich sie nie von hier wegbringen können.«
»Bitte. Das Schlachtfeld gehört dir.« Auch Geoffrey entledigte sich seines Glases, dann folgte
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