Ein verhaengnisvoller Winter
weiter das Essen vom Boden auf. Und sie hatte gedacht, ihr Leben wäre trostlos.
„Irgendwie ist es ja nicht richtig, dass ich jetzt mitfahre.“, sagte Josefine am folgenden Abend. „Jetzt wo die Lisbeth sich nicht zu lassen weiß, da muss die Anneliese auch noch bei uns melken“, wandte Josefine zum dritten Mal ein.
„Du hast doch gehört, was sie gesagt haben. Sie wollen auf keinen Fall, dass du wegen Lisbeth hierbleibst. Es ist doch auch nur ein Tag, Josefine.“
„Ja, du hast ja Recht. Weißt du, wo der zweite Schlüssel ist? Den wollt ich der Anneliese geben. Da kann der Richard ihn sich dann ja abholen.“
„Keine Ahnung. Der hing immer da am Haken.“ Geistesabwesend trocknete Margot eine Tasse vom Abendessen ab.
„Den hab ich damals der Anneliese gegeben, als sie nach deinem Schwiegervater geguckt hat, während ich dich besuchen war“, fiel Josefine plötzlich ein. „Ob sie den Schlüssel noch hat? Ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich ihn wiederbekommen habe.“
Margot zuckte die Achseln. „Bestimmt.“
„Ich geh eben rüber, fragen. Sonst such ich hier nachher umsonst rum.“ Josefine trat auf den Hof, als Toni und Richard lachend mit dem Fahrrad um die Ecke bogen. Toni fuhr an ihr vorbei zum Schuppen, während Richard bei ihr stehenblieb. „Nabend, Josi.“
„Nabend, Richard. Schön, dass ihr so lachen könnt.“ Angewidert warf sie seinem Bruder , der gerade im Haus verschwand, einen Blick zu.
Richard sah sie prüfend an. „Ja, warum auch nicht?“
„Ja, klar.“
Richard stellte endlich sein Fahrrad an die Hauswand und trat zu ihr. „Schlechte Laune? Ich hatte gedacht, da du ja morgen fährst, wärst du besserer Stimmung.“
„Tut mir leid . Wenn meine Nachbarin windelweich geprügelt wird, dann trübt das schon mal meine Stimmung. Und wenn der Verantwortliche dann auch noch freudestrahlend munter dahergeradelt kommt, während seine Frau kaum laufen kann, dann wird mir kotzschlecht.“
„ Hat der Toni sich doch wieder nicht beherrschen können?“
Josefine blinzelte. „Nicht beherrschen können? Du lässt es ja klingen, als hätte er mal kurz die Stimme erhoben. “
„Ja, du hast ja Recht. Es ist wirklich nicht in Ordnung, dass dem Toni ab und zu mal die Hand ausrutscht.“
Josefine senkte die Stimme. „Richard, geh mal rein und sieh sie dir an!“, bat sie. „Dem ist nicht „bloß“ die Hand ausgerutscht. Du hättest das mal gestern erleben sollen. Dein Bruder ist ein Tier.“
Richard sah sie nur an.
„Jetzt guck nicht so! Ich versteh einfach nicht, dass du da einfach jahrelang zusehen kannst, wie dein Bruder seine Frau misshandelt.
Richard befeuchtete sich nervös die Lippen. „Sieh mal, Josi, es ist ja nicht so, als würde der Toni jeden Tag nach Hause kommen und sie verprügeln. Sicher, er brüllt zwar meist rum, aber er ist nun mal etwas aufbrausend. Er haut ihr ja wirklich nur ab und zu mal eine runter.“
Josefine sah ihn einen Augenblick sprachlos an. „Und das ist dann in Ordnung? Außerdem rutscht ihm nicht nur die Hand aus. Er hat sie verprügelt. Mit den Fäusten. Und als sie am Boden lag, da hat er sie noch getreten, Richard !“, stieß sie aus. Noch immer konnte sie nicht glauben, was sie gesehen hatte. „Und das passiert auch nicht nur ab und zu“, fuhr sie aufgewühlt fort, „in den paar Wochen, die ich hier bin, ist das schon das dritte Mal, dass er sie vertrimmt hat.“
„Sieh mal, Josefine“, seufzte Richard, „ich sag ja nicht, dass es richtig ist, was er macht. Aber der Toni, der hatte es früher auch nicht leicht. Und nach dem Krieg, da war er nicht mehr derselbe. Eigentlich ist er ein netter Kerl.“
„Ein netter Kerl?“ Josefine konnte es nicht fassen. „Weißt du was? Jetzt weiß ich auch, warum dich das gar nicht so aufbringt. Im Grunde findest du das in Ordnung, was er macht.“
„Das hab ich nicht gesagt“, antwortete er wütend.
„Nein, aber so schlimm findest du es auch nicht, was er getan hat.“
„Nun, was hat sie denn erwartet? Sie weiß doch, wie eifersüchtig er ist. Was hat sie auch bei fremden Männern in der Wohnung zu suchen?“
Als Josefine ihn nur mit offenem Mund anstarrte, erklärte er weiter. „Ich meine ja nur, warum muss sie ihn auch immer reizen?“
Josefine sah ihm suchend ins Gesicht. Dann schüttelte sie traurig den Kopf. „Was bist du für ein Blödmann, Richard.“ Sie schluckte. „Ich hab gedacht, in den letzten Wochen hätt ich dich ganz gut kennengelernt und ich hab dich
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