Ein verhaengnisvoller Winter
wirklich, wirklich gut leiden mögen.“ Enttäuscht trat sie einen Schritt zurück. „Aber jetzt seh ich, dass ich mich doch in dir getäuscht habe.“
„Jetzt hör aber auf. Was hab ich denn gemacht? Du kannst mich ja wohl nicht für die Handlungen meines Bruders verantwortlich machen !“
„Darum geht es doch gar nicht“, erklärte sie erschöpft. „Ich pack jetzt meine Tasche und morgen fahr ich nach Hause und erhol mich vom Landleben. Und von Männern, die ihre Frauen durch die Wohnung prügeln und ihr gesamtes Geld an der Theke versaufen.“
„Ja, fahr in dein heiliges Essen! Als wenn die Menschen da anders wären!“, stieß Richard aus.
„Nein, aber wenigstens hab ich da mit keinem persönlich zu tun, der so mit seinen Verwandten umgeht. Bei uns in der Familie, da würde keiner daneben stehen und zusehen, wie ein Bruder seine Frau und Kinder tyrannisiert und auch noch Verständnis dafür aufbringen.“
„Jetzt hör aber auf. Was soll ich denn machen? Soll ich da einziehen und Wache halten? “ rief er, während er Josefine wütend anstarrte.
„Komm, Richard. Es ist egal. “ Josefine winkte ab. „Ich geh jetzt rein. Und du geh rüber zu deinem Bruder, mit dem guten Kerl ein Bier trinken, so wie ihr das bestimmt schon vorhin nach der Arbeit getan habt.“ Sie wandte sich zum Gehen. Nach dem Schlüssel würde sie die Anneliese morgen früh fragen.
Richard fasste sie am Arm und hielt sie auf. Als sie nur stumm auf ihren Arm blickte, ließ er mutlos die Hand fallen. „Jetzt sei nicht beleidigt. Soll ich dir heute Abend den Stall ausmisten, wo ich schon mal da bin?“
„Nein, lass mal. Das mach ich selbst.“ Sie wollte ihn heute nicht mehr sehen. Am liebsten würde sie ihm sagen, er bräuchte auch morgen Abend nicht zu kommen, aber das konnte sie ja nicht. Sie würde nicht auf ihren Besuch verzichten, nur weil Richard im Grunde nicht besser war als sein Bruder.
Samstagnacht stellte Toni sein Fahrrad im Schuppen ab und blies sich in seine eisigen Hände. Gut, dass er sich von innen gewärmt hatte, sonst wäre die Fahrt durch die Nacht nach Hause sicher unerträglich kalt gewesen. Er hatte heute den ganzen Abend Skat gespielt und nun beschlossen, das Geld, welches er dabei gewonnen hatte, der Lisbeth zu schenken. Verdient hatte sie es ja eigentlich nicht, nach ihrer Eskapade mit dem Schwarmann, aber nachdem Toni sich diesen heute vorgenommen hatte, war die angebliche Putzstelle in der Sparkasse und auch privat sowieso erledigt und Toni hatte beschlossen, ihr zu verzeihen. Sollte sie sich schönes neues Geschirr von dem gewonnen Geld kaufen gehen. Toni stieg langsam im Dunkeln die Treppe hoch und erschrak, als ihm plötzlich oben am Treppenabsatz jemand den Weg versperrte. Ehe er ein Wort des Missfallens äußern konnte, traf ihn etwas mit Wucht seitlich am Kopf und außer einem Stöhnen brachte Toni nichts mehr heraus. Er fasste sich erschrocken an die Wunde und spürte, wie ihm das warme Blut über die Hand lief. Während er das Gleichgewicht verlor und dann rückwärts ins Leere fiel, sah er ungläubig auf die Gestalt, die ihm reglos dabei zusah.
Josefine lief schlecht gelaunt die Allee entlang, die sie wieder in ihre zeitweilige Bleibe brachte. Der Besuch zu Hause war schön gewesen und wie hatte sie sich gefreut, alle wiederzusehen. Die kleine Gabi hatte sich gut gemacht und zum ersten Mal seit langer Zeit hatte man Margot wieder richtig lachen gesehen. Josefine hatte den Abend zusammen mit ihren Freunden verbracht und sie konnte sich wirklich nicht erklären, warum sie jetzt so schlechte Laune hatte. Vielleicht lag es daran, dass sie gestern, obwohl Rosemaries Bruder Anton dabei war, immer wieder nur an Richard denken musste und wie sehr sie von ihm enttäuscht war. Oder es lag daran, dass sie sich gestern Abend in der Gesellschaft von ihren Freunden nicht annähernd so gut amüsiert hatte, wie damals bei ihrem Kinobesuch mit dem nichtsnutzigen Richard. Josefine trat mit ihrer Tasche von der Straße in die Einfahrt und näherte sich dem Haus. Lina und Franz liefen auf dem Hof rum und als sie Josefine erblickten, rannten sie auf sie zu. „Na, ihr zwei“, begrüßte Josefine die kleinen Kinder.
Die zwei blieben abrupt vor ihr stehen. „Der Papa ist tot“, rief Lina mit dünner Stimme.
„Ja, und heute waren ganz viele Leute hier“, ergänzte Franz.
Wie vor den Kopf geschlagen blieb Josefine stehen. „Was?“ Die kleinen Kinder hatten da bestimmt was verwechselt. „Wo ist
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