Ein verhaengnisvoller Winter
denn die Mama?“
„Die ist innen und weint. Und Oma schimpft und sagt, sie soll aufhören.“
Josefine starrte die Kinder an. Ob es wirklich sein konnte? Sie war gerade mal einen Tag weggewesen. Was mochte denn passiert sein? Ob sie mal rüber gehen sollte? Sie überlegte noch, als Anneliese aus dem Haus trat.
„Anneliese, stimmt es, was die Kinder mir erzählen?“, platzte Josefine heraus.
„Lina, Franz, geht rein. Die Mama hat was zu essen für euch“, scheuchte Anneliese die Kinder rein, ehe sie Josefine am Arm packte und sie zu ihrer eigenen Haustür führte. „Komm, wir gehen rein. Da erzähl ich dir alles. Die Lisbeth ist völlig fertig.“
Josefine beeilte sich, die Türe aufzuschließen und sobald sie eingetreten waren, legte Anneliese los. „Stell dir vor, heute Nacht ist der Toni gestorben. Ist besoffen die Treppe runtergefallen.“
„Mein Gott!“, brachte Josefine raus.
„Tja, so traurig das auch sein mag, ich hätt nicht gedacht, dass die Lisbeth das so schwer nimmt. So wie der die behandelt hat.“
„Ja, nun, er war immerhin ihr Mann, nicht wahr? “
„Ja, natürlich. Ich hab das noch gar nicht richtig wahrgenommen, dass er tot ist, glaub ich. Heute war aber auch was los hier. Bis ich die aufgebrachte Lisbeth erst mal beruhigt hatte. Dann hat es die halbe Nacht gedauert, bis der Arzt endlich alles hier geregelt hatte. Der konnte aber natürlich nichts mehr machen. Als sie ihn dann gerade wegschaffen wollten, kam auch noch der Richard angefahren.“ Anneliese winkte ab.
„Ach ja! Oh, du meine Güte! Der Arme!“ Jetzt erst wurde Josefine bewusst, was Tonis Tod für Richard bedeutete. „Er war sicher am Boden zerstört, was?“
„Er hat erst den Arzt angeschrien, gefälligst seinem Bruder zu helfen, und als man ihn dann endlich überzeugt hatte, dass da nichts mehr zu machen war, hat er noch Ewigkeiten bei seiner Leiche gestanden, bis er die Leute endlich hat wegfahren lassen.
„Und wo ist er jetzt?“
„Der Toni? Wo soll er schon sein. Beim Leichenbestatter, nehm ich doch an.“
„Nein, der Richard.“
„Keine Ahnung. Besäuft sich bestimmt gerade gemeinsam mit seinem Vater.“
„Also Anneliese! Hast du denn gar kein Mitleid?“ Josefine hatte den Toni zwar auch nicht gemocht, aber sie konnte sich vorstellen, wie Richard sich fühlte. Und Toni war ja immerhin auch ein Ehemann und Vater gewesen. Den Tod hatte ihm hier sicher niemand gewünscht.
„Soll ich jetzt Trauer heucheln?“, fragte Anneliese. „Und die Lisbeth, die wird schon drüber wegkommen. Ich sag mir, besser er als irgendwann später vielleicht die Lisbeth oder die Kinder. Das sag ich mir, jawohl!“
Kapitel 6
Zwei Tage später schritt Josefine gemeinsam mit der Trauergemeinde vom Friedhof. Am Friedhofstor wartete sie auf Richard. Sie hatte noch keine Gelegenheit gehabt, mit ihm zu sprechen, da er die ganze Zeit über damit beschäftigt gewesen war, seinen Vater zu stützen. Als er sie erreicht hatte, trat Josefine auf ihn zu. „Herr Fracht, mein Beileid“, wünschte sie dem Mann, der sie aus blutunterlaufenen Augen ansah und ergriff seine Hand. Auch Richard sah fürchterlich aus, als sie sich nun ihm zuwandte. „Richard, es tut mir so leid.“ Josefine war gestern zwei Mal kurz davor gewesen, ins Dorf zu Richard zu fahren, um zu sehen, wie es ihm ging, aber Anneliese konnte sie davon überzeugen, dass es nicht angebracht sei und Richard genug mit seinem Vater zu tun hatte. Josefine hatte schließlich eingesehen, dass die andere Frau recht hatte. Außerdem wusste sie nicht, ob sie willkommen war, nachdem sie Streit mit Richard gehabt hatte und so schlecht über seinen Bruder gesprochen hatte. Aber als sie ihn heute gesehen hatte, musste sie ihm einfach ihre Hilfe anbieten.
Richard sah Josefine einen Moment an und fragte sich, ob es ihr wirklich leid tat, so, wie sie seinen Bruder verachtet hatte. Aber in ihren Augen las er nur echtes Mitgefühl, und so nahm er dankbar ihre dargebotene Hand.
„Wenn ich was für dich tun kann, Richard, sag nur Bescheid, ja?“, sagte sie mitfühlend, doch ehe er antworten konnte, meldete sich plötzlich sein Vater zu Wort.
„Sieh dir die alte Kausch an!“
Richard sah seinen Vater verdutzt an. Dies waren die ersten Worte, die dieser heute gesprochen hatte.
„Die konnte den Toni doch noch nie leiden“ , fuhr Rudolf fort.
Richard folgte dem Blick seines Vaters und sah Anneli ese sich angeregt mit einem der Beerdigungsgäste unterhalten. „Komm, Vater,
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