Ein verhängnisvolles Versprechen
war aber eine Tatsache. Hier verbrachte sie ihr Leben. Das war nicht weiter bemerkenswert. Es schien aber nicht viel mit ihr zu tun zu haben. Sie wohnte hier. Gemeinsam mit ihrem Mann hatte sie dieses Haus ausgesucht. Und jetzt, wo sie es ansah, fragte sie sich, warum.
Joan schloss die Augen und versuchte, auf andere Gedanken zu kommen. Wie war sie in diese Lage geraten? Es war nicht einfach nur ein Fehltritt gewesen. Es hatte nie einen dramatischen Wendepunkt gegeben. Die Veränderung war in winzigen Schritten erfolgt, so langsam, dass sie für das menschliche Auge fast nicht erkennbar war. So hatte Joan Delnuto Rochester, das ehemals hübscheste Mädchen der Bloomfield High School, es erlebt.
Du verliebst dich in einen Mann, weil er alles hat, was dein Vater nicht hat. Er ist stark und unbeugsam, und das gefällt dir. Er erobert dein Herz im Sturm. Du merkst gar nicht, dass er dein Leben fast komplett übernimmt, dass du kaum mehr als ein Anhängsel von ihm bist, keine eigene Identität mehr hast, oder, wie du es dir erträumt hattest, dass ihr gemeinsam eine Einheit bildet, zwei Verliebte, die wie in einem Liebesroman zu etwas Größerem verschmelzen. Du lässt ein paar Kleinigkeiten durchgehen, dann lässt du dir etwas mehr gefallen und schließlich alles. Dein Lachen wird leiser und verschwindet dann ganz. Dein Lächeln wird schwächer, bis es nur noch ein äußerliches Zeichen der Freude ist, das du auflegst wie Mascara.
Aber wann genau hat dein Leben diese Wandlung zum Schlechten genommen?
Sie konnte keinen eindeutigen Zeitpunkt ausmachen. Sie überlegte, fand aber keine Situation, in der sie etwas hätte ändern können. Wahrscheinlich war die Entwicklung schon seit dem Tag, an dem sie sich kennen gelernt hatten, vorherbestimmt gewesen. Sie hatte ihm nie wirklich Paroli bieten können. Sie hatte nie die Gelegenheit gehabt, gegen ihn anzutreten, den Kampf aufzunehmen und einen Sieg davonzutragen, so dass sich etwas verändert hätte.
Hätte sie die Zeit zurückdrehen können, hätte sie dann gleich seine erste Einladung ausgeschlagen? Hätte sie dann Nein gesagt? Hätte sie sich einen anderen Freund gesucht, wie den netten Mike Braun, der jetzt in Parsippany wohnte? Wahrscheinlich nicht. Schließlich wären ihre Kinder dann nicht auf der Welt. Mit Kindern verändert sich natürlich alles. Wenn man sich dann wünschte, das Ganze wäre nicht passiert, war das der Gipfel des Verrats: Wie sollte man mit sich selbst zurechtkommen, wenn man sich wünschte, die eigenen Kinder wären nie geboren worden?
Sie trank noch einen Schluck.
Tatsächlich wünschte Joan Rochester sich, dass ihr Mann tot wäre. Sie träumte davon. Weil das für sie der einzige Ausweg war. Den Unsinn über misshandelte Frauen, die sich gegen ihren Mann wehrten, konnte man vergessen. Das wäre glatter Selbstmord gewesen. Sie konnte ihn nicht verlassen. Er würde sie finden, verprügeln und einsperren. Er würde Gott weiß was mit ihren Kindern anstellen. Er würde es ihr heimzahlen.
Joan stellte sich manchmal vor, dass sie die Kinder schnappen und in ein Frauenhaus in New York ziehen würde. Aber was dann? Sie träumte davon, als Kronzeuge gegen Dom aufzutreten – sie wusste zwar genug, aber selbst das Zeugenschutzprogramm würde ihr nicht helfen. Er würde sie irgendwie finden.
Er war so ein Mann.
Sie stieg aus dem Wagen. Sie schwankte etwas, aber auch das war inzwischen Normalität. Joan Rochester ging zum Haus,
schloss die Tür auf und trat ein. Sie drehte sich um und machte die Tür hinter sich zu. Als sie sich wieder umdrehte, stand Dominick vor ihr.
Joan Rochester legte die Hand auf die Brust. »Hast du mich erschreckt.«
Er trat zu ihr. Im ersten Moment dachte sie, er wollte sie umarmen. Aber das war es nicht. Er ging in die Knie. Seine rechte Hand ballte sich zur Faust. Er drehte sich zur Seite und holte aus der Hüfte Schwung. Die Fingerknöchel trafen sie in der Niere.
Joans Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei. Ihre Knie knickten weg. Sie fiel zu Boden. Dominick griff ihr in die Haare. Er hob sie wieder hoch und holte noch einmal aus. Er schlug sie in den Rücken – der zweite Schlag war noch härter.
Sie sackte einfach in sich zusammen.
»Sag mir sofort, wo Katie ist«, sagte Dominick.
Dann schlug er noch einmal zu.
Myron telefonierte während der Fahrt mit Wheat Manson, seinem ehemaligen Mannschaftskameraden von Duke, der jetzt stellvertretender Dekan in der Zulassungsstelle der Universität war, als
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