Ein verhängnisvolles Versprechen
Zimmer gewesen, und die Fotos am Spiegel sind verschwunden. Das heißt, dass sie sich mindestens ein oder zwei Tage vorher getrennt haben müssen. Ach, und ich hab noch was gefunden.«
Claire wartete. Myron zeigte ihr das Negligé von Bedroom Rendezvous. »Hast du das schon mal gesehen?«
»Nein. War das hier im Zimmer?«
Myron nickte. »Unten in der Wäscheschublade. Sieht auch unbenutzt aus. Das Etikett ist noch dran.«
Claire wurde still.
»Was ist?«
»Als Erik der Polizei erzählt hat, dass Aimee sich in letzter Zeit eigenartig benimmt, habe ich ihm widersprochen. Aber eigentlich hatte er Recht. Sie war extrem geheimniskrämerisch.«
»Willst du wissen, was mir hier im Zimmer noch aufgefallen ist?«
»Was?«
»Abgesehen von diesem Negligé – das wichtig sein könnte, vielleicht aber auch gar nichts zu bedeuten hat –, habe ich hier genau den gegenteiligen Eindruck gehabt von dem, was du gerade gesagt hast. Mir ist so gut wie nichts Geheimnisvolles aufgefallen. Aimee ist auf der High School. Irgendwas muss es doch geben, oder?«
Claire dachte darüber nach. »Und woran könnte das liegen?«
»Vielleicht war ihr das Zimmer nicht sicher genug, und sie hat ihr Geheimnis woanders versteckt. Also müssen wir an anderen
Stellen nachgucken, an denen sie persönliche Dinge aufbewahren könnte. Irgendwo, wo du oder Erik nicht ohne weiteres nachsehen könnt. Zum Beispiel im Spind in ihrer Schule.«
»Sollen wir da gleich hinfahren?«
»Ich glaube, ich möchte lieber erst mal mit Randy sprechen.«
Sie runzelte die Stirn. »Sein Vater.«
»Was ist mit ihm?«
»Er heißt Jake. Alle nennen ihn Big Jake. Er ist größer als du. Und seine Frau macht allen schöne Augen. Letztes Jahr hat Big Jake bei einem von Randys Football-Spielen einen Streit vom Zaun gebrochen. Er hat den armen Kerl vor den Augen seiner Kinder k.o. geschlagen. Ein absoluter Schmock .«
»Absolut?«
»Absolut.«
»Puuh.« Myron tat so, als würde er sich den Schweiß von der Stirn wischen. »Ein halbseidener Schmock hätte zum Problem werden können. Aber mit absoluten Schmocks kenn ich mich aus.«
20
Randy Wolf wohnte im neuen Teil der Laurel Road. Die Residenzen aus angerautem Backstein hatten eine größere Geschossgrundfläche als Kennedy Airport. Myron parkte den Wagen am Straßenrand vor dem pseudo-schmiedeeisernen Tor. Es war nur angelehnt, also ging er einfach durch. Bei der Gartengestaltung hatte es jemand zu gut gemeint – der Rasen sah aus, als hätte man ihn mit grüner Farbe besprüht. Vor dem Haus standen drei Geländewagen. Daneben glänzte eine frisch gewaschene und polierte rote Corvette in der Sonne. Myron fing an, den passenden Prince-Song zu summen. Er konnte nicht anders.
Das vertraute Ploppen eines Tennisballs drang aus dem Garten an sein Ohr. Myron folgte dem Geräusch. Vier geschmeidige
Damen spielten Tennis. Alle trugen Pferdeschwänze und enge weiße Tenniskleidung. Myron war ein großer Freund von Frauen in weißer Tenniskleidung. Eine der geschmeidigen Damen wollte gerade aufschlagen, als sie ihn sah. Sie hatte fantastische Beine, stellte er fest. Er überprüfte die Feststellung noch einmal. Ja, fantastisch.
Das Anglotzen braungebrannter Beine brachte ihm zwar wahrscheinlich keine neuen Hinweise ein, aber Myron wollte sichergehen, und so ließ er auch diese Möglichkeit nicht außer Acht.
Myron winkte kurz und lächelte der Aufschlägerin freundlich zu. Sie winkte zurück und signalisierte den anderen Damen, dass sie sie für einen Moment entschuldigen sollten. Sie lief auf ihn zu. Ihr dunkler Pferdeschwanz hüpfte. Sie blieb erst stehen, als sie ihm sehr nahe gekommen war. Sie atmete schwer. Die schweißnasse Tenniskleidung klebte eng an ihrem Körper. Außerdem waren die Sachen etwas durchsichtig geworden – auch diese Erkenntnis verdankte Myron seiner ungewöhnlichen Wachsamkeit –, was sie aber nicht zu stören schien.
»Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
Sie hatte eine Hand auf die Hüfte gestützt.
»Hi, ich bin Myron Bolitar.«
Das vierte Gebot in Bolitars Benimmfibel: Beeindrucke die Damen mit einer unerwarteten Eröffnung.
»Den Namen«, sagte sie, »habe ich schon mal irgendwo gehört.«
Ihre Zungenspitze legte beim Sprechen lange Wege zurück.
»Und Sie sind Mrs Wolf?«
»Nennen Sie mich Lorraine.«
Bei Lorraine Wolf klang alles zweideutig.
»Ich suche Ihren Sohn Randy.«
»Falsche Antwort«, sagte sie.
»Tut mir leid.«
»Sie hätten sagen müssen, dass ich
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