Ein verhängnisvolles Versprechen
verändert. Seine Sinne kamen ihm seltsam geschärft vor. Er hatte schon lange nicht mehr ermittelt – aber die alten Angewohnheiten waren sofort wieder da und halfen ihm. Als er im Zimmer des Mädchens stand, wusste er sofort wieder, was zu tun war. Beim Basketball musste man in eine Art Rausch geraten, um Höchstleistungen abzuliefern. Ermitteln fühlte sich ähnlich an. Und jetzt, im Zimmer des Opfers, erfasste ihn dieses Gefühl, er geriet in diesen Rausch.
Im Zimmer standen zwei Gitarren. Myron kannte sich mit Musikinstrumenten nicht sehr gut aus, aber eine war ganz offensichtlich eine elektrische, die andere eine akustische. An der Wand hing ein Jimi-Hendrix-Poster. Außerdem standen diverse in Acrylblocks gegossene Gitarren-Plektren auf den Regalen. Myron sah sich die Namen an. Es waren Sammlerstücke. Eins von Keith Richards, Nils Lofgren, Eric Clapton, Buck Dharma.
Myron lächelte fast. Das Mädchen hatte Geschmack.
Der Computer war schon eingeschaltet. Der Bildschirmschoner zeigte ein Aquarium. Myron war zwar kein Computer-Experte, kannte sich aber gut genug aus, um erst einmal anfangen zu können. Claire hatte ihm Aimees Passwort genannt und erzählt, dass Erik die E-Mails durchgesehen hatte. Er sah trotzdem noch einmal nach. Er rief die AOL-Seite auf und loggte sich ein.
Tatsächlich waren alle E-Mails gelöscht.
Er klickte auf den Windows-Explorer und ließ die Dokumente in chronologischer Folge sortieren, um festzustellen, was sie in letzter Zeit gemacht hatte. Aimee hatte Songs geschrieben. Er geriet ins Grübeln, dachte an die kreative junge Frau und überlegte, wo sie jetzt sein könnte. Er überflog die neusten Dateien in der Textverarbeitung. Nichts Besonderes. Er versuchte herauszubekommen, was sie sich zuletzt im Internet angesehen oder heruntergeladen hatte. Er fand ein paar neuere Fotos. Er öffnete die Datei. Aimee mit ein paar Schulfreundinnen, dachte er. Auf den ersten Blick fiel ihm auch hier nichts auf, aber vielleicht sollte er Claire einen Blick darauf werfen lassen.
Er wusste, dass Teenager gerne in Chatrooms gingen und per Instant Messaging kommunizierten. Aus der relativen Ruhe ihres Computers standen sie oft mit zig Leuten gleichzeitig in Kontakt. Myron wusste, dass viele Eltern sich darüber beklagten, aber zu seiner Zeit hatten sie stattdessen die ganze Zeit telefoniert. War Chatten wirklich schlechter?
Er rief die Liste ihrer Chat-Partner auf. Sie enthielt mindestens fünfzig Namen wie SpazaManiacJackII, MSGWatkins und YoungThangBlaine742. Myron druckte sich die Liste aus. Er würde Claire und Erik bitten, sie mit einem von Aimees Freunden durchzusehen, um festzustellen, ob vielleicht ein unbekannter Name dazwischen war. Das war unwahrscheinlich, aber dann hatten sie wenigstens etwas zu tun.
Myron legte die Maus zur Seite und suchte auf die altmodische Art weiter. Zuerst der Schreibtisch. Er ging die Schubladen durch: Stifte, Papiere, Notizblöcke, Ersatzbatterien und ein paar CDs mit Software. Nichts Persönliches. Er fand ein paar Quittungen von einem Laden namens Planet Music. Myron sah auf den Gitarren nach. Auf dem Rücken fand er Aufkleber von Planet Music.
Wow.
Er ging die nächste Schublade durch. Wieder nichts.
In der dritten Schublade entdeckte er etwas. Er nahm es heraus und sah es sich genauer an. Er lächelte. Es war Myrons Basketball-Sammelkarte in einem Plastik-Schutzumschlag. Er betrachtete sein jüngeres Ich. Myron erinnerte sich noch an die Foto-Session. Er hatte mehrere alberne Posen einnehmen müssen – beim Sprungwurf, beim Pass, die klassische Angriffsposition – bei der Auswahl hatten sie sich dann für die leicht nach vorn gebeugte Haltung beim Dribbeln auf einem leeren Basketballfeld entschieden. Er hatte sein grünes Boston-Celtics-Trikot an – ein Outfit, das er wohl höchstens fünfmal getragen hatte. Der Sammelkarten-Hersteller hatte ein paar Tausend dieser Karten drucken lassen, bevor er sich verletzt hatte. Jetzt waren es teure Raritäten.
Eigentlich freute Myron sich, dass Aimee eine dieser Karten besaß, fragte sich aber auch, was die Polizei davon halten würde.
Er legte sie in die Schublade zurück. Natürlich hatte er jetzt seine Fingerabdrücke darauf hinterlassen, aber die waren inzwischen sowieso überall im Zimmer. Darauf kam es jetzt auch nicht mehr an. Er suchte weiter. Irgendwo musste ein Tagebuch sein. Das gab es in jedem Film. Das Mädchen schreibt ein geheimes Tagebuch, dem sie alles über ihren Freund, ihr
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