Ein verruchter Lord
bei ihr, und Laurel verlor ihr Herz an sie. Es war eine ganz neue Empfindung: lichterloh brennend und heiß, dabei sanft strömend und süß. Und vor allem bedingungslos und ewig.
Während sie Melody in den Armen hielt, musste sie sehr an sich halten, ihr mit der Heftigkeit ihrer Gefühle keine Angst einzujagen. Als sich dann ihre Händchen auf ihre Wangen legten und blaue Augen sie anschauten, unterdrückte Laurel die Tränen und lächelte ihr Kind an.
» Du weinst ziemlich viel « , stellte Melody fest.
» Da hast du recht. « Laurel atmete tief. » Ich bin manchmal der reinste Springbrunnen. Aber heute werde ich nicht mehr weinen, weil ich schließlich einen Gast habe. «
Melody sah plötzlich weniger skeptisch aus. » Einen Gast? «
» Natürlich. « Laurel wirbelte mit ihr im Walzerschritt durch den Raum. » Du bist mein Gast. «
» Ich? « Melody schien ein wenig verwirrt und unsicher, was sie davon halten sollte. » Das ist doch mein Haus! «
» Mag sein: dein Haus und mein Dachboden. « Sie setzte Melody auf einen Stuhl, auch wenn ihre Hände sie gerne noch ein wenig länger gehalten hätten. Dann richtete sie sich auf und versank vor dem Kind in einem formvollendeten, tiefen Knicks. » Lady Melody, wie schön, dass Sie vorbeigekommen sind. Darf ich mich nach der Gesundheit Ihres Ehemanns erkundigen? «
Melody kicherte. » Ich hab keinen Ehemann. Bloß Billywick. Und Evan. «
» Himmel. Tratsch über Männer! « Laurel ließ sich auf dem zweiten Stuhl nieder und beugte sich neugierig vor. » Und jetzt erzähl mir alles über diesen Billy… Wie heißt er gleich? «
Während ihre Tochter zu einer langen, komplizierten Geschichte über Billywick ansetzte, der nach ihren Auskünften irgendetwas zwischen wildem Riesen und treu ergebenem Schoßhund sein musste, sog Laurel durstig jedes noch so kleine Detail über diese verlorenen Jahre in sich auf. Und brannte zugleich vor Verlangen, ihre Tochter für immer von hier fortzuschaffen.
Zehntes Kapitel
Wie üblich drehte Wilberforce wieder einmal seine tägliche Runde durch alle Etagen des Clubs, der schließlich trotz der neuen weiblichen Bewohner einschließlich zweier Kinder, die immer für Überraschungen gut waren, weiterhin reibungslos laufen musste. Das war wichtig, das war er seinem Ruf schuldig. Wie üblich entdeckte er kein Staubkorn und keine Falte in einem der Teppiche.
Er verlangsamte seinen Schritt, als er den Flur der obersten Etage inspizierte. Da war es wieder. Ein hohes, kreischendes Geräusch. Von irgendeiner Mechanik. Während er aufmerksam lauschte, den Kopf geneigt wie ein Greyhound, der auf den Start zum Rennen wartet, hörte Wilberforce, wie das Geräusch sich ihm von oben näherte und dann verstummte.
Er beschleunigte seinen Schritt, ohne zu rennen allerdings, um der Sache auf den Grund zu gehen. Zweifellos war da irgendetwas im Apartment von Lord und Lady Blankenship. Auch wenn er die Räume der Mieter nicht gerne ohne deren Erlaubnis betrat, hielt er es für angezeigt nachzuschauen und sah gerade noch, wie sich die Tür des Lastenaufzugs öffnete und Melody hinauskletterte.
Sie begrüßte ihn mit ihrem engelsgleichen breiten Lächeln. » Wibblyforce! «
Er fing sie gerade noch auf und stellte sie auf ihre kleinen Füße, um sogleich mit ernster, missbilligender Miene auf sie hinabzuschauen. Ein Gesichtsausdruck, der schon manchem erwachsenen Lakaien die Tränen in die Augen getrieben hatte. Melody hingegen kicherte bloß.
» Junge Lady, stimmt irgendetwas nicht mit der Treppe? «
Sie schob sich eine staubige Locke aus dem Gesicht. » Ich fahr gerne in der Kiste « , versicherte sie ihm. » Aber sie ist schmutzig. « Sie rümpfte ihre kleine Nase. » Und sie riecht komisch. «
Wilberforce bemühte sich, die Kritik am Zustand des Lastenaufzugs nicht persönlich zu nehmen. Andererseits: Selbst wenn er nicht mehr oder nur selten benutzt wurde, sollte er sauber sein. Er verbeugte sich knapp. » Ich werde unverzüglich veranlassen, dass sich jemand darum kümmert. «
Melody winkte anmutig mit ihrer Hand, wie sie es bei Madeleine abgeschaut hatte. » In Ordnung « , sagte sie hoheitsvoll und zog mit ihrer Lumpenpuppe ab.
Wilberforce schloss den Lastenaufzug und eilte ihr hinterher. » Mylady, ich bitte meine Aufdringlichkeit zu verzeihen, aber ich würde es vorziehen, wenn Sie und Master Evan nicht mehr mit dem Lastenaufzug spielten. Das kann sehr gefährlich werden. «
Melody kicherte, wie immer wenn er sie so anredete, und
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