Ein Versprechen aus Afrika
Fotokopie seiner Unterschrift, ein neu eröffnetes Bankkonto sowie ein Scheckheft und einen Pass auf den Namen des Sohnes. Nun brauchte er nur noch den Heiligen Geist um Hilfe anzuflehen.
Der einfallsreiche Jean-Michel, der sich jetzt als Vermandez senior ausgab, sandte an die Bank von Xavier Vermandez einen Überweisungsauftrag auf das Konto des Sohnes, genauer gesagt: auf das neu eröffnete Konto des Sohnes. Nachdem die Überweisung auf dem Konto eingegangen war, gab Chartier die dreihunderttausend Franc von Vermandez mit vollen Händen aus. In seinem Inneren wünschte er inbrünstig, dass dieser noch möglichst lange im Gefängnis bleiben möge. Doch es kam anders. Nachdem Vermandez senior seine Strafe abgebüßt hatte, wurde er freigelassen. Er kehrte in seine Wohnung zurück und las seine Post durch. Zu seinem großen Leidwesen stellte er fest, dass er, ohne davon zu wissen, den größten Teil seiner Ersparnisse auf das Konto seines Sohnes überwiesen hatte. Der Sohn fiel aus allen Wolken, da er nicht einmal die Bank kannte, auf die der Vater das Geld überwiesen haben sollte. Also wandte er sich an die Empfängerbank. Diese Bank wiederum erstattete Anzeige. Als die Bankangestellten die Unterlagen durchsahen, fanden sie die Fotokopie des Personalausweises, der von Chartier alias Vermandez gefälscht worden war. Auf dieser Fotokopie stand allerdings die richtige Adresse von Chartier, was die Nachforschungen sehr erleichterte.
Chartier wurde wegen Fälschung eines offiziellen Dokuments einem Verhör unterzogen und für vier Tage ins Gefängnis gesteckt. Als er wieder frei war, musste er eine Kaution von hunderttausend Franc (etwa siebzehntausend Euro) bezahlen, die er von den dreihunderttausend Franc, die er Vermandez entwendet hatte, abzweigte.
Das Schneeball-Prinzip
Zu Beginn dieser Geschichte, Mitte 1981, wohnte Camille Moreau, fünfunddreißig Jahre alt, in einer großen Stadt in Zentralfrankreich. Er war Vertreter für ein Unternehmen, das Fertighäuser verkaufte, und verhandelte direkt mit den Kunden. Da er einen guten, sympathischen Eindruck machte, schloss er viele Verträge ab. Außerdem war er gewissenhaft und verstand es, den Kunden je nach ihren Einkünften zu einem klugen Finanzierungsplan zu raten. Er selbst kannte sich gut mit Geldanlagen aus. Ganz selbstverständlich investierte er darum seine Ersparnisse in Börsengeschäfte, allerdings in bescheidenem Rahmen.
Da verließ ihn seine Frau. Ein Freund riet ihm, sich für einen guten Zweck einzusetzen, um nicht in eine Depression zu fallen. Beim katholischen Hilfswerk lernte er René Degros kennen, den alle nur »Monsieur René« nannten. Eine, gelinde gesagt, seltsame Persönlichkeit, vierundsiebzig Jahre alt, aber immer noch rüstig. Obwohl er sich unablässig für die karitative Organisation einsetzte, lebte er auf großem Fuße und wusste gutes Essen und guten Wein zu schätzen. Wie man munkelte, steckte hinter seinem materiellen Wohlstand ein Geheimnis. Angeblich war er ein Börsengenie und besaß eine außerordentliche Nase für fantastische Anlagemöglichkeiten.
Da sich auch Camille Moreau für die Börse interessierte, unterhielten sie sich mehrmals darüber. Als sie sich gut genug kannten, riss Camille seinen Mut zusammen und fragte Monsieur René nach seinem Geheimnis.
Dieser lächelte beruhigend.
»Da gibt es kein Geheimnis. Das ist ganz einfach.« Wenn man ihn so sah, hatte man wirklich nicht den Eindruck, es mit einem Abenteurer zu tun zu haben. René Degros wirkte älter, als er war. Mit den spärlichen weißen Haarsträhnen auf dem kahlen Schädel und der großen Brille wirkte er eher wie ein gemütlicher Großvater, vielleicht sogar wie ein Urgroßvater. Er erläuterte: »Ich lege auf dem asiatischen Markt an und investiere in sehr spekulative Produkte in Steuerparadiesen. Man muss sich nur auskennen, um Risiken zu vermeiden.«
»Und welche Rendite erzielen Sie?«
»Zehn Prozent im Monat.«
»Wie bitte?«
»120 Prozent im Jahr, wenn Ihnen das lieber ist. Vertrauen Sie mir eine Summe an, dann werden Sie ja sehen.«
Skeptisch händigte Camille Moreau dem erstaunlichen Monsieur René 10 000 Franc (etwa 1500 Euro) aus. Einen Monat später zahlte ihm letzterer ohne mit der Wimper zu zucken 1000 Franc aus. Auch in der Folge entrichtete er jeden Monat weitere 1000 Franc. Irgendwann begann Camille Moreau, ihm größere Summen anzuvertrauen, und erzählte in seiner Umgebung davon. Bald brachte er Monsieur René auch das
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