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Ein Versprechen aus Afrika

Ein Versprechen aus Afrika

Titel: Ein Versprechen aus Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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natürlich hauptsächlich die Luxusindustrie. Der Kunsttischlerei ging es schlecht. Mailfert sah sich gezwungen, Leute zu entlassen, was ihm das Herz brach. Die Arbeiter — oder besser gesagt die Handwerker beziehungsweise die Künstler — , die er in seiner Fabrik beschäftigte, liebten ihren Beruf genau wie er. Darum suchte er verzweifelt nach einem Ausweg, bis ihm schließlich eine schlichtweg geniale Idee kam.
    Er wollte eine leider verschwundene Schule von Kunsttischlern, die Loire-Schule, einfach erfinden und davon Reproduktionen herstellen. Natürlich würde es sich nur um Kopien handeln, aber da keine Originale mehr existierten, müssten sie sich fast so teuer wie echte Antiquitäten verkaufen lassen. Dazu käme das durch die Entdeckung geweckte Interesse und, wenn er es geschickt anstellte, eine gewisse Modewirkung beziehungsweise der Snobismus der Leute.
    Unverzüglich machte er sich ans Werk. Auf altes Papier aus der Renaissance, das er auf dem Dachboden des Museums von Orléans gefunden hatte, zeichnete er sorgfältig mit Aquarell und Sepia-Lavierungen etwa hundert Möbelentwürfe in einem neuen, charmanten Stil, etwa vergleichbar mit einem rustikalen Rokoko. Sie waren aus hellem Obstbaumholz und hatten alle schlichte Füße, in Fächer unterteilte Türen und dekorative Intarsienarbeiten, die als Motive nur Schiffe oder Burgen zeigten.
    Höchst zufrieden betrachtete André Mailfert sein Werk. Genau so ein Mobiliar hätte er hergestellt, wenn man ihm unter allen Stilrichtungen die Wahl gelassen hätte. Was er da geschaffen hatte, war echter Mailfert! Nachdem er immer nur seine illustren verstorbenen Vorläufer kopiert hatte, wollte er nun einmal sich selbst kopieren. Er streute Staub über die Dokumente und verschloss sie in einer antiken, mit Schweinshaut bedeckten Truhe. Jetzt konnte der Schwindel, der seine Angestellten vor der Arbeitslosigkeit retten sollte, seinen Lauf nehmen.
    Die »Loire-Schule« brauchte noch einen Lehrmeister, einen Schöpfer. Da sein Vorhaben recht kühn war, beschloss er, ihn »Hardy« zu nennen (»hardi« heißt auf Französisch »kühn«). Nun musste André Mailfert nur noch die Biografie des Kunsttischlers Jean-François Hardy aus dem 18. Jahrhundert erfinden, um sich ins Abenteuer stürzen zu können.
    Ende 1931 veröffentlichte er die aufwändige Broschüre Die Loire-Schule, die sofort das Interesse aller Liebhaber und Spezialisten erregte. Hier einige Auszüge daraus: »Es erscheint uns unerlässlich zu erklären, warum sich das Publikum auf einmal so für die Loire-Schule begeistert, die noch vor wenigen Monaten praktisch unbekannt war. Vielleicht ist es an der Zeit zu erzählen, wer Jean-François Hardy, von dem viele zum ersten Mal hören, eigentlich war.
    Jean-François Hardy war der Lieblingsschüler des Tischlermeisters und französischen Hoflieferanten Germain Landrin, in dessen Werkstatt er im Laufe von zehn Jahren die Lehre, die Gesellenzeit und die Meisterprüfung absolvierte. 1715 unternahm er eine Reise nach Holland, um sein Können zu vervollkommnen. Unterwegs machte Jean-François Hardy in Lille Halt, wo noch heute verschiedene kunstvolle Arbeiten, die für das Schloss Fournes-en-Weppes ausgeführt wurden, von seinem Aufenthalt zeugen.
    Von dort zog er nach Brüssel. Hier war er eine Weile unter der Leitung von Meister Jan Hort tätig. Dann ging er nach Holland und bezog in Rotterdam ein Haus in der Nähe des Hafens. 1719 heiratete er die Tochter eines reichen Bürgermeisters, Cornelia van der Breught, die ihm drei Kinder gebar: Pétrus und Bernard, die sein Werk in Frankreich fortführten, und Marguerite, die einen Kunsttischler aus Nantes heiratete.
    Sein ältester Sohn Pétrus ließ sich in Orléans nieder, um dort zusammen mit Gaillard in der Rue du Bœuf das Werk seines Vaters fortzuführen. Sein zweiter Sohn zog nach Angers, wo er sich mit den Möbeln und Holzvertäfelungen des Bischofspalastes hervortat. Auch in Gien, Saumur und Ancenis verzeichnet man mehr oder weniger bescheidene Werkstätten, in denen ehemalige Schüler die Tradition von Jean-François Hardy fortsetzten und seine Entwürfe mehr oder weniger geschickt umsetzten.
    Merkwürdigerweise zitiert keiner der Autoren der Handbücher über die Kunsttischler des 18. Jahrhunderts auch nur einen einzigen dieser Namen. Immerhin führt ihn der Almanach général des marchands Ende des 18. Jahrhunderts als Meister auf und die Tablettes de la renommée aus dem Jahre 1770 erwähnen seine

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