Ein verwegener Gentleman
Tür geführt. Sie war erstaunt, wie ehrlich und warm diese Leute ihre Großmutter und sie willkommen geheißen hatten. Es gab keine verstohlenen Blicke, kein Geflüster.
Ross führte Elizabeth den Korridor entlang zu einer Tür, öffnete sie und bedeutete ihr einzutreten. Seine reservierte Art beunruhigte sie, aber eine diskrete Unterhaltung war unumgänglich, wenn sie ihre Halskette wieder mitnehmen wollte, und so leistete sie seiner stummen Aufforderung Folge.
Sie befanden sich in einem Arbeitszimmer mit Bücherregalen an den Wänden und einem imposanten Schreibtisch, der unter einem breiten Fenster stand. Draußen blinkten die Sterne am Nachthimmel.
Mit heftig klopfendem Herzen wirbelte sie zu ihm herum. „Ich weiß, dass mein Ruf bereits befleckt ist, Mylord, und dass ich ein solches Tête-à-Tête bereits selbst einmal herbeigeführt habe, aber da Sie Gesellschaft haben, halte ich es für das Beste, wenn wir nicht alleine hier sind.“
Er hatte die Tür geschlossen und lehnte sich mit verschränkten Armen dagegen. „Ich bin sehr böse auf dich“, sagte er, ohne sie aus den Augen zu lassen.
Sie war sprachlos.
„Ich glaube, du schuldest mir eine Entschuldigung, meine Liebe … wieder einmal.“
Elizabeth öffnete den Mund, um zu sprechen, brachte jedoch kein Wort heraus. Gedemütigt presste sie die Lippen zusammen, damit sie nicht zitterten. „Ich … ich habe mich doch schon entschuldigt“, gelang es ihr schließlich zu sagen. „Ich wollte Sie mit meiner Anhänglichkeit nicht in Verlegenheit bringen. Ich habe mich zum Narren gemacht. Es tut mir leid, dass ich heute Abend überhaupt hergekommen bin …“
„Ah, ich verstehe …“, unterbrach er sie. „Nein, das meinte ich nicht. Deine Unsicherheit und Verwundbarkeit stören mich nicht. Tatsächlich finde ich es ziemlich liebenswert. Es gefällt mir, wenn du in meiner Nähe bist … mich brauchst.“
„Was ist es dann?“, flüsterte sie erstaunt.
Er stieß sich von der Tür ab. „Was ist denn mit der … unangenehmen Verabredung , die wir diese Woche hatten, die du nicht eingehalten hast? Fällt es dir jetzt wieder ein? Ich wäre sehr froh, wenn du dich deines unhöflichen Verhaltens schämen würdest. Tust du das?“
„Nein“, gab Elizabeth empört zurück.
„Weshalb bist du nicht nach Hause gekommen, um über die Heiratspläne zu sprechen? Weil du dachtest, ich wäre an diesem Tag mit meiner Mätresse einkaufen gewesen?“
Elizabeth errötete. „Ich … ich habe nichts dergleichen gedacht!“, stieß sie hervor. Ihre Röte vertiefte sich, als sie daran dachte, dass es sich bei der eleganten Dame um seine Schwägerin Rebecca handelte, die sie mit reizender Freundlichkeit begrüßt hatte.
„Weshalb dann?“
„Ich … ich war aufgebracht über … über ein gewisses … Vorkommnis. Und ich hatte Wichtigeres zu tun!“
„Von welchem Vorkommnis sprichst du?“, fragte er und kam näher.
„Es ist eine Privatangelegenheit …“
„Die du sicher deinem zukünftigen Gatten mitteilen kannst. Ich habe es dir doch gesagt: Ich interessiere mich für die Probleme meiner Verlobten.“
„Bitte nicht“, gab Elizabeth frostig zurück. „Ich werde alleine damit fertig.“
„Auch mit denen, die es erfordern, dass du dich bei den Docks in Wapping herumtreibst, um diese Freundin zu finden, die in eine Notlage geraten ist?“
Elizabeth schluckte und erstarrte unter seinem scharfsinnigen Blick. „Ja, auch mit denen …“, presste sie schließlich hervor. Er stand nun direkt vor ihr und ließ seinen begehrlichen Blick über ihren Körper wandern.
„Manchmal weiß ich gar nicht, wie ich meine Finger von dir lassen soll, Elizabeth.“ Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken.
Erschreckt warf sie ihm einen Blick zu. Sein Gesichtsausdruck war seltsam verwundert, voller Selbstironie. „Aber wenn ich diesem Drang nachgebe, wäre es möglich, dass sie direkt zu deiner Kehle wandern. So eine Verschwendung …“
Als wollte er der Versuchung widerstehen, vergrub er seine Hände in den Hosentaschen. „Dann versuchen wir es noch einmal. Was hat dich an diesem Tag aufgeregt? War es Cadmore?“
Wieder verriet sie ihr heftiges Erröten.
Ross fluchte verhalten. „Hat er dich angesprochen? Hat er dich beleidigt? Hast du ihn unterrichtet, dass wir verlobt sind?“
„Natürlich nicht! Weshalb sollte ich? Ich werde mit dem Earl of Cadmore schon fertig. Ich werde seit zehn Jahren mit ihm fertig.“
„Ja, ich weiß. Und ich habe vorhin
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