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Ein verwegener Gentleman

Ein verwegener Gentleman

Titel: Ein verwegener Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Brendan
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ausdruckslos an.
    „Kommt Markham zu spät zum Dinner?“, wiederholte Luke. „Verdammt, Ross, du hast in drei Minuten drei Mal zur Uhr gesehen. Auf wen wartest du? Markham oder diese Mrs. Sampson, die du eingeladen hast?“
    „Wohl eher die Letztere, würde ich meinen“, warf Dickie Du Quesne trocken ein.
    „Mrs. Sampson ist eine sehr alte Freundin … in mehr als einer Hinsicht. Sie ist über sechzig Jahre alt“, informierte Ross Dickie grinsend.
    Dickie verschluckte sich an seinem Aperitif. „Über sechzig? Guter Gott!“, keuchte er. „Du hast erwähnt, dass ihre Enkelin sie wohl begleiten wird. Hat sie dich vielleicht am Angelhaken?“
    Jetzt verschluckte Ross sich an seinem Getränk.
    „Mutter winkt dir zu … schon zum zweiten Mal. Sie will dir sicher einen wohlmeinenden Rat erteilen. Aber zuerst gebe ich dir einen“, sagte Luke, „sag ihr, was sie hören möchte. Aus irgendeinem Grund macht sie sich neuerdings deinetwegen noch mehr Sorgen als sonst. Sie war entschlossen, nach London zu fahren, um zu sehen, wie es dir geht. Und du weißt, wie sehr sie das Reisen hasst …“
    Seufzend begab Ross sich zu Demelza Trelawney und ging neben ihrem Sessel in die Hocke. Sie legte eine Hand auf das schmale Gesicht ihres jüngsten Sohnes. „Bist du glücklich?“
    Er lächelte. „Natürlich … Ich bin Viscount, Günstling bei Hofe, ich habe dieses prachtvolle Stadthaus und ein großartiges Gut – oder zumindest wird es großartig sein, wenn ich es fertig habe. Du musst kommen und es dir anschauen, falls dir nach einer Kutschfahrt nach Kent ist.“
    „Du hast mir erzählt, was du erreicht hast, Ross, aber keine Antwort auf meine Frage gegeben“, tadelte seine Mutter ihn sanft. „Ein Viscount mit einem großartigen Haus zu sein ist schön. Aber du bist unzufrieden. Dein ganzes Leben lang hast du die Gefahr und die Aufregung gesucht. Ich habe das Gefühl, ich hätte strenger sein müssen, um dich zu zügeln, als du noch jünger warst. Diese Ruhelosigkeit … diese Unbeständigkeit … scheinen dir in Fleisch und Blut übergegangen zu sein.“
    Ross wich ihrem Blick aus. Sie betrachtete sein geliebtes Profil, und vor ihrem inneren Auge entstand das Bild eines Knaben, wild wie die walisische Küste. Er war nie ruhig gewesen, nie zufrieden. Manchmal war er mit aufgeschlagenen Ellbogen und Knien zu ihr gekommen. Dann hatte er gezappelt, bis er endlich wieder frei war. Er hatte nur kurz geduldet, dass sie seine Wunden fortküsste, bevor er sich ihr entwand und lachend davonrannte mit seinen langen, im Wind flatternden dunklen Locken und seinem schönen, lebhaften Gesicht … Und jetzt war Ross wieder verletzt, und dieses Mal konnte sie seinen Schmerz nicht mit einer mütterlichen Zärtlichkeit lindern. Ihr Sohn war verliebt.
    Ross blickte auf und schenkte ihr ein schiefes Lächeln.
    „Du hast Luke geholfen, zur Ruhe zu kommen, und ich weiß, du möchtest sie selbst auch gerne finden.“ Demelza wählte ihre Worte mit Bedacht. „Früher hat dich das nie beschäftigt. Nur mich. Aber jetzt … bist du verändert, mein Lieber; ich sehe Melancholie in deinen Augen. Ich glaube, dass du endlich weißt, wo du sie findest, aber sie weicht dir noch aus …“
    Ross nahm die kühle Hand seiner Mutter und drückte flüchtig seine Lippen auf ihre Handfläche. Er lächelte sie an. Ihr rabenschwarzes Haar war von Silberfäden durchzogen, und sie sah trotz ihrer sechzig Jahre höchst anziehend aus. Im Stillen fluchte Ross über ihre Wahrnehmungsfähigkeit, als er plötzlich bemerkte, wie sie den Blick hob und Stille sich über den Raum senkte. Er wandte den Kopf.
    „Mrs. Sampson und Lady Elizabeth Rowe …“, verkündete sein Butler Dawkins mit nasaler Stimme.
    Elizabeth blieb wie angewurzelt stehen, kaum dass sie einen Schritt in den Salon hinein getan hatte. Alles Blut wich aus ihrem Gesicht, und jene alten Dämonen, die sie überwunden zu haben glaubte, tanzten wild in ihrer Magengrube.
    Die Szene hatte vor zehn Jahren stattgefunden und war doch erschreckend vertraut. Bürgerliche parvenus ? Von Panik ergriffen, blickte sie sich in einem Raum um, der ebenso würdevoll und elegant war wie die Anwesenden. Es schienen reizende Menschen zu sein, einflussreiche, wohlhabende, vornehme Leute … sie starrten sie alle an … und sie konnte es nicht ertragen. Gleich würde sie sie flüstern hören, sie spöttisch lächeln sehen. Sie kämpfte schwer mit sich, nicht die Flucht zu ergreifen.
    Edwina schien ihre Panik zu spüren.

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